Nach den zwei Topspielen (Chelsea in der Champions League und das Derby) in der Vorwoche, die mit je 3 Toren gegen Schalke beendet wurden, lag Kellers Hauptaugenmerk gegen die Hertha darauf die Defensive zu stabilisieren. Das klappte in erster Linie, weil Hildebrand eine großartige Partie ablieferte. Ein entscheidender Faktor war aber auch eine taktische Anpassung im defensiven Mittelfeld.
Die Grundorientierungen
Die Hertha baute sich besonders in der ersten Hälfte recht asymmetrisch auf. Das lag vor allem an Skjeldbred, der zwar als rechter Spieler im offensiven Mittelfeld im 4-2-3-1 gehandelt wird, sich diesmal allerdings hauptsächlich zwischen seinem nominellen linken Pendant Schulz und dem 10er Ben-Hatira einsortierte. Um die rechte Seite wegen dieser Anordnung nicht verweisen zu lassen orientierte sich Cigerci als der offensivere der beiden 6er stark in die Lücke. Außerdem beackerte Rechtsaußen Pekarík den gesamten Flügel so gut es ging. Erst beim Wechsel Ronny für Schulz änderte sich das uns die Hertha baute sich traditioneller auf, weil ab da auch Skjeldbred auf rechts zurück wechselte.
Einmal im Angriffsdrittel angekommen, spielte die Aufstellung der Hertha allerdings auch keine Rolle mehr, da die vier Offensivkräfte sich dort sehr flach formierten, mit situationsabhängiger Unterstützung der 6er oder Außenverteidiger.
Schalke dagegen spielte wie immer offensiv mit einem klaren 4-2-3-1, mit Boateng auf rechts und Meyer als 10er. Es fehlte allerdings etwas die Breite, die Farfan (zuletzt auch oft Clemens) bei Angriffen gegeben haben, weil beide Außenstürmer (Boateng und Draxler) sehr invers spielen und viel ins Zentrum ziehen. Die Notwendige breite wurde dann häufig durch die Außenverteidiger (Fuchs und Uchida) gegeben, wenn sie hoch aufrückten. Dann fehlt allerdings die Absicherung hinten, was den Berlinern gelegentlich Raum für Konter gab.
Defensiv gab es von Schalke ein kompaktes und engmaschiges 4-4-2, meist mit Meyer und Szalai an vorderster Front. Die Hertha formierte sich auch im 4-4-2, allerdings deutlich aktiver und mit einer mannorientierten Raumdeckung. Das heißt, dass der Raum gedeckt wurde, Gegenspieler in diesem Raum aber direkt gedeckt und attackiert worden sind.
Die ersten 20 Minuten
Schnell wurde sichtbar, dass Jos Luhukay Schalke gut analysiert und seine Mannen gut eingestellt hat. Eins der identifizierten Probleme, darüber hab ich hier auch schon häufig geschrieben, war der Schalker Spielaufbau. 3 Berliner Offensivkräfte pressten das Schalker Aufbauspiel, also die beiden Innenverteidiger und den jeweiligen (mehr oder weniger) abkippenden 6er. Das sogar so stark, dass Hildebrand keine Anspielstation fand und sich fast immer für Abschläge entschied. Im Mittelfeld vermuteten die Berliner wohl ihre Lufthoheit, da auch Kraft sehr häufig abschlug. Allerdings hielt sich der Gewinn hier die Waage, Hertha gewann knapp unter 50% der Zweikämpfe in der Luft, Schalke knapp über 50%. Schalke hatte auf Grund des starken Berliner Pressings allerdings starke Probleme den Ball aus der Luft anzunehmen und zu verwerten, so gab es viele Ballverluste im Mittelfeld. Strukturiert vorgetragene Angriffe der Schalker waren sehr spärlich gesät. Ein Grund dafür war auch, dass die Schalker eher zögerlich aufrückten um die Konteranfälligkeit niedrig zu halten.
Das Schalker Pressing wurde zu Beginn des Spiels etwas höher und aggressiver angesetzt als zuletzt, doch schnell verfiel die Mannschaft in die gewohnte Passivität beschränkte sich darauf viel zu verschieben. Angriffe der Hertha wurden meist über deren rechte Seite vorbereitet. Fuchs wurde dort wohl auch als Schwachstelle identifiziert. Und wenn die Schalker stark auf die eigene linke Seite verschoben haben um den Angriff zuzustellen, verlagerte die Hertha schnell auf die Ballferne Seite, dort war viel Platz und es wurde schnell gefährlich.
Ein Schlüsselspieler bei Hertha BSC ist Per Skjelbred. Er ist für die offensive die treibende Kraft und spielt die meisten Schnittstellenpässe und Pässe die zu Torvorlagen führen. So zog auch immer der Norweger die Fäden, wenn es plötzlich im Schalker Strafraum brannte und Höwedes in größter Not dazwischen grätschte oder klärte. Er verlagerte das Spiel viel, lief sich frei und fand Platz im engen Schalker Abwehrverbund. Das blieb auch Keller nicht verborgen und stellte um…
Der Rest der ersten Halbzeit
Ungefähr nach der 20. Minute wurde Skjelbred ein Bewacher zur Seite gestellt. Den Rest der Halbzeit machte er keinen Schritt mehr ohne, dass einer der 6er (meist Neustädter) in direkter Nähe war. Damit war er abgemeldet. Skjelbred schaffte es nicht sich von dieser Manndeckung zu lösen und konnte fast nicht mehr aktiv ins Spielgeschehen eingreifen. Gleichzeitig schaffte er es aber auch nicht Spieler aus dem Defensivverbund herauszuziehen um Lücken zu reißen, dafür sind die 6er zu Spielintelligent.
Das intensive Berliner Pressing hatte vermutlich das Ziel ein frühes Tor zu erzielen. Ich vermute, dass Luhukay eine zweite Schalker Schwäche ausnutzen wollte: Gegen sich einigelnde Mannschaften einen Rückstand aufzuholen. Nun gelang dieses frühe Tor nicht. Somit hatte Berlin nicht die Möglichkeit sich beim Betonanrühren zu erholen. Die hohe Investition während des Spielbeginns zollte trotzdem ihren Tribut und Hertha musste einen Gang runter schalten.
Nach 20 Minuten war also Skjelbred aus dem Spiel und Berlin konnte das hohe Tempo nicht länger halten. Das erlaubte Schalke seine Angriffe etwas besser zu gestalten und aus einer Halbchance wurde eine Ecke und aus der Ecke ein Tor.
Der Rest der Halbzeit war dann auch genau das, was man sich vorstellt. Berlin musste nach wie vor das Spiel machen, die Kraft reichte allerdings nur Punktuell. Auf der anderen Seite wurde Schalke zusehends passiver und versuchte ein Gegentor zu vermeiden. Für große Chancen reichte das nicht, dafür auch nur selten für welche von den Berlinern.
Die zweite Halbzeit
In der Halbzeit stellte Luhukay um: Skjelbred kam jetzt auf seiner nominellen Position, im rechten offensiven Mittelfeld. Ziel war die Variabilität zu erhöhen und den starken Linksdrall aufzulösen. Außerdem sollte Skjelbred aus der Manndeckung befreit werden, indem er stärker auf den Flügel rückt. Das funktionierte auch soweit, zumindest wurde die Manndeckung eingestellt. Ins Spiel kam er dennoch nicht.
Zur 63. Spielminute wurde Schulz, der einzige Breitengeber im offensiven Mittelfeld der Berliner, durch Ronny ausgetauscht. Ronny kam ins Zentrum und Ben-Hatira rückte auf links. Jetzt wurde der Druck auch wieder erhöht. Die Defensivaktivitäten Ronnys hielten sich allerdings in Grenzen. Ein Mann weniger im Pressing war deutlich spürbar und Schalke konnte wieder stärker kontern.
Auch als Allagui später auf rechts für Skjelbred kam wurde mehr Dampf nach vorn gemacht, dafür die Deckung zum Teil arg vernachlässigt. Dass Schalke erst in der Nachspielzeit zum zweiten Tor kam zeigt dabei, dass trotz es des positiven Ergebnisses noch eine ganze Menge Baustellen gibt.
Fazit
Wir haben gelernt, dass das passive Pressing gegen individuell schwächer besetzte Gegner halten kann.
Wir haben gelernt, dass Keller auf den Spielverlauf reagieren und Anpassungen vornehmen kann.
Wir haben gelernt, dass Hildebrand auch „unhaltbare“ halten kann.
Wir haben gelernt, dass Draxler noch richtig gut Fußballspielen kann.
Wir haben wiedermal gesehen, dass Schalke Probleme im Spielaufbau hat.
Wir haben wiedermal gesehen, dass Schalke Probleme mit aggressivem Pressing hat.