Schalke war vor dem Auftaktspiel der Champions League bereits totgeschrieben. Dem kompletten Umfeld war eigentlich klar, dass es eine deutliche Niederlage hageln würde. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte die Mannschaft aber eben das zu vermeiden. Schalke zeigte eine Einsatzbereitschaft, wie schon lange nicht. Und dann war da noch das mit den 6ern…

Die Grundaufstellungen zu Spielbeginn.
Die Grundaufstellungen zu Spielbeginn.

Blue is the colour, football is the game

Mourinho schätze Schalke nicht besonders stark ein. Das zeigte sich daran, dass er nicht wirklich mit dem Champions League Kader aufkreuzte, aber auch daran, dass Chelsea sehr dosiert nach vorne agierte. Es schien fast so, als sollte sich die Mannschaft nicht verausgaben und im Vorbeigehen die Mannschaft aus dem Tabellenkeller der Bundesliga schröpfen.

Dafür baute er Chelsea offensiv in einem 4-3-3 auf, mit Matic als abkippendem 6er, der sich meist in der Gegend der Innenverteidiger aufhielt, sowie den beiden beweglichen 8ern Fábregas und Ramires. Die Flügelspieler Hazard und Willian sollten mächtig Wirbel machen und gemeinsam mit den 8ern Stoßstürmer Drogba bedienen.

Defensiv pendelte Chelsea zwischen einen 4-4-2 und dem 4-3-3. Die Londoner machten die Räume eng und presste Schalke stark ohne wirklich aggressiv in die Zweikämpfe zu gehen.

Bei Ballgewinn schaltete Chelsea dann blitzschnell um. Oft waren binnen Sekunden 4 Spieler am Schalker Strafraum. Besonders Cesc Fábregas und Eden Hazard waren deutliche Aktivposten auf dem linken Flügel und stießen immer wieder nach vorn. Zirkulierten den Ball und brachten den Ball gefährlich in den Strafraum oder Richtung Tor.

Und das war auch das eigentliche Konzept Chelseas. Etwas abwarten und dann schnell zu kontern. Das Pressing war nicht übermäßig stark und auch das Aufbauspiel war eher behäbig. Die Schalker Verteidigung wurde meist umspielt, nicht durchspielt, indem das Spiel verlagert und die Lücke am ballfernen Flügel genutzt wurde. Ansonsten ließen die Engländer die Leine eher lang. Schnelles Kombinationsspiel war eher die Ausnahme und Passstaffetten mit nur einer Ballberührung pro Spieler waren die Ausnahme. Das war für Schalke sehr passend…

We’re all together, winning is our aim

Defensiv baute sich Schalke im 4-4-2 auf. Deutlich kompakter als zuletzt. Aber immernoch mit Lücken, die am Gegner gemessen zu groß waren. Die Königsblauen verschoben zum Ball und versuchten den Flügel, wohin Chelsea meist auswich, deutliche Überzahl herzustellen und so den Ball zu gewinnen. Das Mittelfeld war dafür komplett zu. Chelsea konnte gegen Boateng, Meyer, Aogo & Neustädter im Zentrum nur selten irgendetwas reißen.

Im Umschaltmoment in die Defensive stand Schalke meist schnell sortiert, weil nur selten viele Spieler mit nach vorne rückten. Meist waren es nicht mehr als 4. Das Umschalten in die Offensive war schon eher ein Entscheid in diesem Spiel. Allerdings zeigte Schalke einmal mehr, dass es das Kontern verlernt hat. Mit einer Ausnahme: Julian Draxler. Er war der einzige der schnell zum Gegnerischen Tor zog und auch versuchte Konter dann auszuspielen und seine Mitspieler einzubinden. Diese verzögerten jedoch zu stark und Chelsea fand genug Zeit in die Defensivordnung zu kommen. Besonders gruselig in der Beziehung war Max Meyer. Dem unglaublich talentierten Mittelfeldspieler fehlt es nach wie vor an einer schnellen Entscheidungsfindung. Fast nie leitet er einen Ball weiter, sondern nimmt ihn zunächst an und geht ins Dribbling um „in aller Ruhe“ die Optionen zu eruieren. So wurde Chelseas Tor eingeleitet und einige aussichtsreiche Konter Schalkes erstickt.

Sowohl die Verteidigung wie auch der Angriff definierten sich wie noch nie in dieser Saison von Einsatzbereitschaft. Lediglich gegen die Bayern blitzte sowas mal auf. Es bot sich immer jemand als Zuspielstation an und besonders in der Defensive wurde die Mannorientierung sehr ernst genommen.

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Der Plan der offensive war eigentlich lediglich vorsichtig zu sein und nicht in Konter zu laufen. Aufgebaut wurde wie immer im 4-2-3-1, allerdings gab es eine asymmetrie. Fuchs schob deutlich höher auf links als Höger auf rechts. Letzterer agierte sehr vorsichtig und stieß nur dosiert mit nach vorne. Wann immer das passierte offenbarte er aber Räume die Hazard direkt zu nutzen wusste. Womit wir bei den 6ern wären…

NullVier 6er

Nicht nur Neustädter war ein 6er in der 4er Kette, sondern auch Höger. Auch wenn der eine Innenverteidiger spielte und der andere Außenverteidiger, so sind beides 6er und verhielten sich auch so. Besonders im Aufbau spielten sie als wären sie neben die Innenverteidigung gekippt. Nur bestand diese eben aus lediglich Ayhan. So bildete sich eine 3er Kette, die den Spielaufbau vorantreiben sollte. Direkt vor diese kippte dann auch noch der tatsächliche 6er ab, Aogo. Dadurch ergab sich eine Raute. Boateng als vierter 6er spielte meist eher die Rolle eines 8ers als Verbindungsspieler zu den Offensivakteuren. Meist war aber auch er im direkten Umfeld der „Verteidigungsraute“ zu finden.

Sowohl Neustädter als auch Höger wirkten zum Teil selbst irritiert ob ihrer Rolle im Spielaufbau. Oft kam Aogo hinzu und wollte zwischen die Innenverteidiger oder daneben kippen, wurde aber dann von einem der beiden mehr oder weniger verscheucht. Die Abstimmung hier fehlte deutlich. Allerdings brachte das Ganze eine gewisse Flexibilität und wenn Schalke die besser einsetzt, könnte das Aufbauspiel und das Umschaltspiel enorm profitieren. Die vielen 6er in Verbindung zur vorsichtigen Spielweise hatten aber zur Folge, dass Schalke auf eine Passerfolgsquote von 82% kam.

Neustädter als Innenverteidiger

Für viel Wirbel sorgte Roman Neustädter als Innenverteidiger. Plötzlich bemerkte die breite Öffentlichkeit, was er Spiel für Spiel vor der Verteidigung zeigte (siehe hier die Spieler-Analyse). Er habe ein ausgezeichnetes Stellungsspiel und sei enorm Passsicher. Tatsächlich erlaubte er sich lediglich einmal zu klären (68. Spielminute), ansonsten fand jeder seiner 62 Pässe einen Mitspieler.

In den Folgespielen sollte er weiter auf der Position bleiben. Die Phase Innenverteidiger Neustädter scheint eine Erfolgsstory zu werden. So, dass gegen Bremen sogar Matip für einen 6er eingewechselt wurde und statt zu tauschen Matip plötzlich vor der Abwehr spielte und Neustädter weiterhin mittendrin. Verkehrte Welt.

Natürlich kommen Neustädters Qualitäten in der Innenverteidigung zur Geltung. Aber dann fehlen sie ja auf der 6. Wer wenn nicht er soll ein Pressing umspielen, das Spiel schlau verlagern, Situationen schaffen und Spieler einsetzen können? Schalke schwächt sich mit Neustädter als Innenverteidiger. Nicht in der Defensive, sondern in der Offensive. Persönlich hoffe ich also, dass es bei einem Aushilfsjob für ihn bleibt.

Fazit

Insgesamt war Chelsea besser. Sie hatten die gefährlicheren Chancen und besseren Offensivaktionen. Aber Schalke war sehr engagiert und nutzte aus, dass Chelsea sich nur gelegentlich Angriffslustig verhielt.

Das große 6er System war interessant zu beobachten. Man darf gespannt sein, wie es damit weiter geht, wenn tatsächlich Verteidiger für die 4er Kette zur Verfügung stehen.

4 Replies to “Mit 6er System und Einsatzfreude: Chelsea FC – FC Schalke 04, 1:1

  1. Ich finde, er soll das so großartig weitermachen. Gepaart mit Joel als schellem und stellungsicheren Inneverteidiger sowie Aogo, stellungs- und passsicher auf der 6, neben Höger, der hervorragend die rechte Seite ergänzt (besonders wenn Uchida spielt) wäre die Mitte so stabil, dass ich mit Fuchs auf links leben könnte -bis Bene wieder fit ist. Und wenn Kola irgendwann wieder da ist, wird neu überlegt.
    Ach ja, Prince? weiter vorne oder auf die Bank.

  2. Leider wurde heute nach dem Stellungsfehler gegen Ramos vor dem 1:2 offenbar, dass er (zu) langsam ist. Also Neustädter, gell 😉

    1. Das war kein Stellungsfehler, er hat den Zweikampf verloren. Und dann umdrehen und dem Stürmer hinterher auf 5m hätte auch Usain Bolt nicht geschafft.

      Fuchs ist nicht Passsicher. Noch nie gewesen. Ebenso mangelhaft ist seine Zweikampfstärke. Das Stellungsspiel ist im Vergleich dazu zwar besser, aber auch nicht wirklich Wasserdicht. Was Fuchs gut macht ist sein Zug nach vorne und seine Flanken. Schlechter ist Aogo dabei aber auch keineswegs…

      Meines Erachtens ist es eine Verschwendung Neustädter in der Innenverteidigung spielen zu lassen und Fuchs nicht viel mehr als ein guter Backup auf links, hinter Aogo & Kolasinac.

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