Gegen Wolfsburg zeigte Di Matteo endlich die heiß ersehnte Magie, die man sich von ihm versprach und packte die 5er Kette aus. Wie in allen Spielen unter ihm bis hierhin, war das jedoch nicht dem reinen Selbstzweck geschuldet sondern war stark auf den Gegner und die eigene aktuelle Situation bezogen.

Die Grundformationen zu Spielbeginn.
Die Grundformationen zu Spielbeginn.

Probleme im 4-2-3-1

Der VfL Wolfsburg zeichnet sich in dieser Saison durch schlichte Geradlinigkeit aus. Besondere Gefahr liegt in deren Standards. Dazu sind sie hochkarätig besetzt und sind perfekt für ein beeindruckendes Flügelspiel und Konterspiel aufgestellt.

Um gegen eine solche Mannschaft bestehen zu können braucht es eine wasserfeste Endverteidigung. Wenn die letzte Linie durchbrochen wird, ist die Gefahr groß, dass es klingelt. Doch die letzte Linie war bei Schalke in letzter Zeit immer mal wieder das Problem. Besonders die linke Seite.

Zusätzlich gab der Krankenstand eigentlich keine richtigen Flügelspieler her. Farfán, Draxler, Sam und Goretzka fehlten verletzt und alle alternativen drängten sich in letzter Zeit nicht gerade auf. Das Standardsystem 4-2-3-1 konnte also nicht mit ausreichender Qualität besetzt werden.

Schließlich gab es zuletzt ebenfalls immer wieder Schwierigkeiten im Aufbauspiel und im letzten Drittel. Auch das ewige Dilemma „Ballbesitz oder lieber kein Ballbesitz“ gab noch Fragen auf. Schalke schien häufig zwischen den Stühlen.

Besserung im 5-3-2

Roberto Di Matteo fand eine Lösung für diese Probleme in einem neuen System. Eine 5er Kette sollte die Schwäche mit der letzten Linie beheben. Hoch schiebende Flügelspieler, eine hängende Spitze und zwei 8er sollten das Problem der Ballstafetten im Angriff beheben.

Dazu war die Idee mit dem Ball selbst nicht viel anfangen zu wollen, als Anzugreifen. Kurzpasskombinationen wurden gegen weite Diagonalpässe getauscht, welche die Wolfsburger Verteidigung aushebeln sollten.

Und all das funktionierte recht gut. Allerdings war auch offensichtlich, dass dieses System für Schalke noch neu und ungewohnt war.

Die 5er Kette

Richtig, es war keine 3er Kette, sondern eine 5er Kette. Es gab 3 Innenverteidiger und zwei glasklare Außenverteidiger. Als Kette verschoben diese 5 Spieler zum Ball. Wie sich die Einzelspieler im Angriff verhalten hat mit der Kette gar nichts zu tun.

Im Zentrum der 5er Kette stand ein Leuchtturm namens Santana. Er spielte sehr frei, zum Teil fast wie ein Libero, rückte heraus, half auf den Flügeln aus, und rückte auf um das Angriffsspiel anzukurbeln. Flankiert wurde er von Neustädter und Höwedes, die in ihren Rollen sehr unterschiedlich waren, und jeweils den Außenverteidigern Uchida und Fuchs.

Zunächst zur rechten Seite. Uchida gehört zu einem der besten rechten Außenverteidigern der Liga. Immer hat er einen ordentlichen Offensivdrang und immer macht er einiges an Metern den Flügel entlang. Neustädter daneben konnte sich dementsprechend auf Innenverteidigerarbeiten konzentrieren. Er rückte heraus um gemeinsam mit Uchida einen Angreifer (oft Perisic) zu doppeln und versuchte das Zentrum dicht zu halten. Allerdings wurde diese Seite oft für Angriffe der Wölfe genutzt, um Neustädters Geschwindigkeitsdefizite auszunutzen.

Auf der linken Seite verhielt sich das alles etwas anders. Fuchs hat deutliche Schwächen im Defensivverhalten und in der Geschwindigkeit. Höwedes dagegen hat spätestens seit der WM Erfahrung als linker Außenverteidiger. So gab es sich bei Angriffen über links oft, dass Höwedes sehr früh rausrückte um zu Doppeln.

Für beide Außenverteidiger galt, dass sie immer mal wieder, bei Kontern der Wölfe in der Verteidigung fehlten. Es ergab sich dann meist eine Situative 4er Kette. Die dann schnell aufgestockt wurde.

Das 3er Mittelfeld

Kirchhoff war 6er in seiner klassischsten Form, Abräumer vor der Abwehr. Höger davor hatte die Aufgabe auf den Flügeln für Überzahlsituationen zu sorgen. Er verschob meist in Richtung Uchida und half aus. Boateng hatte eine ähnliche Aufgabe für den linken Flügel, aber deutlich mehr Freiräume. Sein Bewegungsdrang sorgte immer wieder für Unruhe bei der Wolfsburger Verteidigung und er schaffte es so immer wieder für gefährliche Situationen zu sorgen.

Defensiv waren die drei auf einer Linie vor der 5er Kette und verschoben fleißig ballorientiert.

Die Doppelspitze

Ganz vorne fand sich eine Doppelspitze aus dem Stoßstürmer Huntelaar, unterstützt von der etwas hängenden und ausweichenden Spitze Choupo-Moting. Während der Hunter spielte wie immer und so viel Aufmerksamkeit auf sich lenkte, spielte Choupo-Moting um ihn herrum. Suchte Räume und versuchte Anspielbar zu bleiben. Meist orientierte er sich weg vom Ball und war häufig auf dem Ballfernen Flügel für Flanken oder Spielverlagerungen zu haben.

Im Spiel

Die 5er Kette hielt in der Defensive meist sehr gut. Allerdings zeigten sich auch noch verschiedene Kinderkrankheiten. Das Übergeben und das Aufrücken funktionierten noch nicht Problemlos. Es gab ein paar Situationen in denen sich der Außenverteidiger nach innen hat ziehen lassen und der äußere Innenverteidiger mitzog. Dadurch wurde der Flügel aber entblößt was besonders durch Kevin De Bruyne ein paar Mal ausgenutzt wurde.

Insgesamt ließ Schalke Wolfsburg im Aufbauspiel den Flügel frei. Ziel war spät den Flügel zuzustellen und so den Ball wieder zu erlangen. Dadurch hatte besonders Rodriguez unglaublich viele Freiheiten und sehr häufig den Ball. Das Zentrum war dagegen völlig Dicht und die Wolfsburger 6er kamen überhaupt nicht ins Spiel.

Bei Ballbesitz ging es dann meist sehr schnell. Den eigenen 6er Raum ignorierte Schalke förmlich und überspielte ihn konsequent. Santana im Spielaufbau stieß häufig vor und drischt einen langen Ball in die Spitze. Oder versuchte das zumindest, denn nur die Hälfte seiner Pässe kam an. Ähnliches probierte Kirchhoff gelegentlich, ebenfalls mit einer düsteren Passerfolgsquote.

Besser lief es beim Rest. Schema F war: Fährmann schlug ab auf Fuchs, der auf der Seitenauslinie den Ball entgegen nahm, kurz mit dem 8er kombinierte und entweder Flankte oder einen weiten Diagonalpass auf den anderen Flügel schlug. Dort dann wiederrum kurze Kombination und Überladung des Flügels und oder Halbraums, bevor dann eine Flanke oder ein Diagonalpass zur Spielverlagerung folgte. So kam Schalke, besonders in der ersten halben Stunde, immer wieder gefährlich in Tornähe.

Gleichzeitig wurde der Ball aber auch immer mal wieder verloren, was viel von den Außenverteidigern verlangte. Darum ging die Intensität mit laufendem Spiel auch immer weiter runter. Zur Halbzeitpause war zu sehen, wie sich Fuchs vom Feld schleppte. Wolfsburg kam gleichzeitig mit dem Fremden System des Gegners immer besser klar und konnte so über die Flügel immer mehr Gefahr entwickeln. Hier hatten sie viel Platz und konnten diesen mit fortschreitendem Spielverlauf immer besser nutzen. Besonders als Hunt ins Zentrum zog und De Bruyne auf den Flügel durfte.

Matchwinner: Länderspielpause

Di Matteo hat die Situation gut analysiert und die richtigen Schlüsse gezogen. Das hat er auch in den vorherigen Spielen schon getan. Diesmal hatte er allerdings durch die Länderspielpause auch noch etwas Zeit bekommen um seine Ideen einzuarbeiten.

Es ist wichtig zu sehen, dass eine 5er Kette kein Allheilmittel ist. Wolfsburg schaffte es schon im Spielverlauf die schwächen offenzudecken und zu bespielen. Variabilität ist es, was zählt. Klassenstreber Guardiola und Klopp machen das seit langem vor. Da kann also noch einiges kommen, wenn Di Matteo erst einmal eine ganze Vorbereitungsphase nutzen kann um seine Variabilität vorzubereiten…

Ich freu mich drauf. 🙂

6 Replies to “Di Matteo packt die 5er-Kette aus, FC Schalke 04 – VfL Wolfsburg, 3:2

  1. Ich hätte vorher wetten können, dass RDM auch gegen Chelsea die 5er-Kette auspackt. Er hat es letztlich mit der Präsenz von Chelsea im Zentrum begründet, der er was entgegenstellen wollte – was offensichtlich nicht gelungen ist. Und macht nicht gerade die 5-er-Kette das Zentrum zu? Irgendeine Erklärung – und, spekulativ, hätten wir mit der 5er-Kette gegen Chelsea besser ausgesehen? Sicher, die Chance auf einen Sieg wäre noch geringer worden, aber möglicherweise hätte man nicht so abartig hoch verloren.

    Nur als Frage, weil ich das Chelsea-Spiel nur in wenigen Ausschnitten gesehen habe (und übrigens nicht fand, dass hier der Untergang des Abendlandes stattgefunden hat, sondern im Gegenteil war das Passspiel sehr ordentlich (Statistik sagt auch über 90%), auch 8:13 Torschüsse sieht nicht nach völliger Passivität aus. Zudem die Tore selber waren eher unglücklich….)

    1. Finde ich schwierig, wenn man 3:0 zurückliegt gegen einen wahnsinnig starken und ballsicheren gegner. Da kann man nur alles falsch machen. Und dennoch: Die beiden Tore sind sehr spät gefallen. Bis dahin hatten sie immerhin versucht, etwas Spielkontrolle zu bekommen. Ich nehme solche Spiele immer aus der Wertung. Auch die Niederlage gegen Real kreide ich dem Keller nicht an. Auch gegen Bayern. Die Spiele sind mir egal. Heute gegen Mainz ist wichtig.

      1. Ja, grds. war uns Chelsea einfach in allen Belangen überlegen. Einfach der falsche Gegner zu diesem Zeitpunkt bei uns, mit den ganzen Verletzten, einem noch relativ neuem Trainer etc.

        Schön anzuschauen war es trotzdem nicht. Wer sieht seine Mannschaft schon gerne zu unterlegen und dann untergehen? 😉

      2. Ich glaube grundsätzlich war die Idee im 4-4-2 defensiv kompakter stehen zu können und den Chelsea Angreifern das Kombinieren schwerer zu machen als im 5-3-2. Und da stimme ich auch zu. Nur hat das mit der defensiven Stabilität mal so überhaupt nicht funktioniert. Das war sehr häufig extrem unkoordiniert.

        Die eigene Passsicherheit war da eher der Aspekt, der Schalke vor einem noch größerem Debakel rettete.

        Ansonsten stimme ich zu, dass man solche Ausrutscher nicht überbewerten soll. Gerade gestern gegen Mainz konnten wir sehen warum. Schalke ist 2014 zu keinem Zeitpunkt eine gefestigte und gut sortierte Mannschaft, da kann sowas passieren. Frustrierend ist’s trotzdem.

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