Schalke gewinnt das erste Spiel der Zwischenrunde in der Europa League überraschend hoch. Das Ergebnis täuscht über ein knappes Spiel hinweg. Allerdings zeigte sich auch, dass Schalkes Entwicklung weiter geht und seine Schwachstellen langsam in den Griff bekommt.
Vorwort
Zwischenrunde gegen die dritte Kraft aus Greichenland. PAOK, ein sehr emotionaler Verein, mit einer großen Anhängerschaft, nicht zuletzt auch unter ausgewanderten Griechen. Der Club wurde gegründet von ausgestoßenen, eng verstrickt mit dem Zwist zwischen Griechenland und der Türkei. Heimspiele sind immer ein großes Rambazamba. Und letztlich versucht PAOK immer wieder die Athener vom Thron zu stoßen. Alles in allem eigentlich eine Mannschaft, die mit dem drumherum nahe an dem sind was Schalke auch so ausmacht.
Das letzte Aufeinandertreffen in der Champions League Qualifikation im Sommer 2013 war die erste Halbfeldflanke-Analyse (Das Millionen-Geister-Spiel: PAOK – Schalke, 2:3). Ein guter Freund von mir ist großer PAOK Fan, ich hab mir die Begegnung gewünscht und weil die Auslosung an meinem Geburtstag war, hat sich die UEFA dazu entschlossen meinen Wunsch zu erfüllen. Das ganze Chaos, das da gerade stattfindet und stattfand und noch stattfinden wird, ist also auf meinen Mist gewachsen. Dafür möchte ich mich entschuldigen.
Gyros Pita
Die Griechen spielten in einem 3-4-1-2 und spiegelten damit die Schalker Aufstellung ein bisschen. Kernelement war hier der 10er Biseswar, der immer wieder Stambouli unter Druck setzte und die beiden Stürmer Klaus und Mystakidis einband. Die Doppel-6 von Saloniki kümmerte sich in erster Linie um die Doppel-8 von Schalke und die Flügelspieler hatten ebenfalls je einen direkten Gegenspieler.
Das Pressing war dabei sehr Wechselhaft. Zu Spielbeginn war’s sehr aggressiv. Gemeinsam mit der Kulisse hatte Schalke hier einige Probleme. Später wurde die Intensität variiert. Besonders in den Szenen, mit sehr losem Pressing von PAOK konnte Schalke das Spiel gut kontrollieren. Über längere Zeit hoch und intensiv zu pressen schafften die Gastgeber jedoch nie. Über weite Streckens des Spiels standen sie eher tief und versuchten Schalke nicht zu viel Platz zur freien Entfaltung zu bieten.
In Ballbesitz gab es immer wieder einen Spielzug, speziell in der ersten Halbzeit. Über den rechten Flügel wurde ein Angriff probiert, der meist bei Kolasinac endete. Dann folgte eine schnelle Spielverlagerung und ein Konter über links mit dem starken Leovac. Schlüssel hier war die Defensiv-Schwäche Schöpfs, der durch eine frühe gelbe Karte noch zusätzlich ausgebremst wurde. Er ist eben ein Flügelspieler, eher offensives Mittelfeld und kein Außenverteidiger einer Kette. PAOK nutzte das sehr geschickt. Mit dessen Auswechslung gegen Kehrer erübrigte sich dies jedoch. Und beim Rückspiel steht Leovac auf Grund zu vieler gelber Karten nicht zur Verfügung.
Currywurst
Schalke spielte nach ein paar asymmetrischen Experimenten in den letzten Wochen wieder sehr symmetrisch im 5-3-2. Die Flügelspieler waren diesmal allerdings sehr verhalten, auf Grund der Flügelgefahr PAOKs.
Caligiuri blieb eher auf dem linken Flügel, Burgstaller war irgendwie überall vorne, Goretzka und Meyer harmonierten recht gut im Mittelfeld. Besonders auffällig war Stambouli. Er hatte zwar eine der schlechteren Passerfolgsquoten (80%), war aber überall zu finden. Besserte in der Defensive mit aus und verteilte den Ball schnell weiter. Er stellte Räume zu, fing Bälle ab und verwickelte den Gegner in Zweikämpfe. Spielerisch ein großer Gewinn für Schalke 04 und ein Starker Kontrast zum Spiel mit Geis.
Insgesamt zeigte Schalke einmal mehr, dass der Ball am Boden gehalten werden soll. Hohe weite Bälle gab es faktisch nicht. Stattdessen wurde versucht der Pass zum nächstgelegenen Spieler gesucht. Immer wieder gab es aber auch Bälle die eine Linie überspielten. Etwa von Naldo auf Caligiuri, der dann auf Kolasinac oder Meyer ablegt, so dass der Ball weiter nach vorne gebracht werden kann. Diese Treppenspiele finden sich immer stärker im Schalker Spiel wieder.
Das Spiel mit dem Ball
Wenn man sich sehr wünscht etwas zu erkennen, dann erkennt man es manchmal auch, obwohl es gar nichts zu erkennen gibt. So funktioniert Homöopathie, zum Beispiel. Oder so erkennst Du plötzlich Bilder in Wolken, die eigentlich gar nicht da sind. Also, die Bilder, nicht die Wolken. Die sind natürlich schon da.
Jedenfalls warte ich ja seit gefühlten Ewigkeiten auf ein Ballbesitzspiel von Schalke. Manchmal meine ich Ansätze dessen zu erkennen, bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich meiner Wahrnehmung da wirklich trauen kann. Beim Pokalspiel in Nürnberg etwa meine ich Ansätze eines Ballbesitzspiels erkannt zu haben. Und in dieser Partie eben auch. Wieviel davon wirklich da war, oder ob ich es reininterpretiert habe und was dieses „da war“ überhaupt bedeuten mag, ignoriere ich jetzt allerdings mal, sonst enden wir in einer Grundsatzdiskussion zur Taktischen Analyse. Bei einem Kaltgetränk mal gern, jetzt aber lieber nicht.
Also: Schalke mit Ballbesitzspiel. Whoa!
Die Idee mit den Flachpässen funktioniert nämlich nur bei angemessener Bewegung der Mannschaft. Dass Stambouli sehr beweglich war, hab ich bereits beschrieben. Besonders auf Goretzka und Meyer trifft das gleiche zu. Und die Spieler drumrum. Nicht selten gab es Situationen in denen etwa Meyer in den rechten (!) 6er-Raum zieht, Caligiuri den 10er Raum besetzt und Höwedes aufrückt. So wird ein Spielfeldabschnitt stark überladen, viele Passoptionen bieten sich und ein Ballbesitzspiel wird möglich.
Dafür braucht Schalke aber natürlich Luft und die kommt durch weniger intensives Pressing und den dadurch verbundenen Ballbesitz. Schon häufiger habe ich hier geschrieben (zuletzt beim Spiel in München), dass Schalke immer Probleme hat, wenn es in Ballbesitz gedrängt wird, ES widersprach mir in seinem Kommentar und meinte, es läge an der Intensität des Pressings. Je länger ich darüber nachdenke und das beobachte, desto mehr glaube ich er hat Recht. Auch wenn die beiden sicher nicht ganz voneinander zu trennen sind.
Und jetzt?
War das wirklich der erste Vorläufer eines Schalker Ballbesitzspiels? Werden wir das jetzt häufiger zu sehen bekommen? Kann Schalke die Fluidität auch in der Bundesliga auf den Platz bringen? Und werden daraus auch richtige Tore entstehen können, nicht ‚nur‘ nach Standards? Und was passiert, wenn der Gegner intensiver presst? Vladimir Ivic, der Trainer von PAOK sagte, und ich stimme ihm da völlig zu, dass die Niederlage unverhältnismäßig hoch ausfiel. Schalke kontrollierte zwar das Spiel, aber Torchancen hatten Seltenheitswert. Wie kann das verbessert werden?
Die nächsten Wochen werden’s zeigen.
Eigentlich kamen alle Tore nach hohen Bällen, oder?
Hahaha, guter Punkt. Stimmt auffallend.
Fűr ein Kopfballtor von Meyer muss der Ball ja sehr flach gespielt werden.
Vielen Dank für Deine Analyse. Nach wie vor lese ich Deinen Blog sehr gerne, weil Du Dich nicht in irgendwelche Lüfte verzwirbelst, wo Dir keiner mehr folgen kann, sondern Du bringst die Dinge klar auf den Punkt und man merkt Dir an, dass Du stets versuchst, auch an den Leser zu denken, der das, was Du schreibst auch noch verstehen soll. Danke dafür.
Um das Rätsel Weinzierl-Schalke und Ballbesitz anzugehen, versuche ich es mal mit der Differenzierung nach Dritteln: A) Torwart bis erstes Drittel: Spielaufbau über Torwart, Dreierkette und 6er: Stark verbessert, insbesondere Fährmann gibt sich viel Mühe, um einen flachen Spielaufbau einzuleiten (die Kritik an seinen riskanten Bällen werte ich positiv, weil sie bedeuten, dass er manchmal das Risiko für die gute Sache eingeht), er hat mit Stambouli und Badstuber zwei zusätzlich pressingresistente Anspielstationen, die er in der Qualität vorher nicht hatte. B) erstes bis zweites Drittel: Von der Dreierkette ausgehend funktioniert dann die Zirkulation innerhalb der Kette, über die Außen oder die Mitte (6er und 8er); gelegentliches Einstreuen von guten langen Bällen direkt ins letzte Drittel (die meist ankommen), beweisen da nicht das Gegenteil. C) zweites bis letztes Drittel: gelegentlich sehr schnell, gelegentlich harmonisch, die Abstände, um beim Ballverlust auch direkt wieder ins Gegenpressing zu kommen (wieder Stambouli!) passen, der von Dir beschriebene Treppen-Aufbau funktioniert; gelegentliche Einzelaktionen von Goretzka oder Bentaleb sind auch hier kein Widerspruch; Caligiuri eine Bereicherung, Burgstaller beweglich und anspielbar D) letztes Drittel bis Tor: Tja, das ist der ausbaufähigste Bereich. Wenn man Durchbrüche außen, teilweise bis zur Grundlinie mit Hereingaben dazu zählt (vor dem Tor will ich ja letztlich kein Ballbesitz mehr, sondern ich will den Ball abgeben, und zwar ins Netz des Gegners; es geht nicht unbedingt mehr um Ballbesitz, sondern um Durchschlagskraft), dann sehe ich hier eine Verbesserung. Wenn es um Kombinationen wie Doppelpässe etc. geht, gibt es da nicht viel. Aber wen wundert es: Das letzte Drittel ist der Bereich, bei dem es seit Monaten personell sehr, sehr weh tut. Wie soll man da Abläufe einstudieren? Ich behaupte mal: Das kommt noch, vielleicht erst so richtig in der nächsten Saison, wenn alle wieder an Bord sind.
Als Fazit von meiner Seite: Bin aktuell angesichts der personellen Situation zufrieden, was den Ballbesitz angeht.
Noch eins: Ja, je stärker das Pressing, desto schwieriger der flache Aufbau. Aber deshalb wurde das Pressing erfunden, um dem Gegber das Leben schwer zu machen.. Hat man in den ersten 20 Minuten gesehen, aber dann war PAOk platt und es war nur eine Frage der Zeit, wann das Tor fällt. Keller-und BR-Schalke konnte auch gegen schwächere Gegner kein Spiel aufziehen, Weinzierl Schalke tut das konstant in der Saison. Damit erarbeitet man sich Sicherheit für die stark pressenden Mannschaften.
Hmmm, ich finde das muss etwas differenziert werden. Sowohl unter Keller als auch unter Breitenreiter kam Schalke eigentlich ohne größere Probleme in die gegnerische Hälfte. Der Spielaufbau geriet dann aber ins Stocken. Besonders Deine großartige Unterteilung in verschiedene Abschnitte oben geht da mMn in eine ähnliche Richtung. Schalke hatte vor Weinzierl die Probleme die es jetzt noch an vorderster Front hat auch. Nur eben noch viel stärker. Und schon viel früher, also auch schon im 10er und teilweise sogar 8er Raum.
Mit der Differenzierung hast Du recht. Mein Begriff „ein Spiel aufziehen“ ist da nicht genau erläutert (habe ich mir auch nicht genau überlegt).
Zu Keller: Das sind jetzt auch schon 2-4 Jahre rasante BL-Entwicklung dazwischen. Zu Kellers Zeiten haben nur wenige Mannschaften so hoch und intensiv gepresst, Frankfurt, HSV, Leverkusen und Köln und andere sicher noch nicht. der Kloppsche BVB war da das Maß der Dinge. Klar kam man da in die gegnerische Hälfte (wenn auch langsam), dann geriet aber der Aufbau ins Stocken, wie Du schreibst, weil das gegnerische (tiefe) Pressing anfing. Außerdem war bei diesem Aufbau die defensive Stabilität dahin und Schalke wurde häufig ausgekontert (Gegenpressing gab es unter Keller auch nicht). Diese Probleme hatte man auch bei klar schwächeren Gegnern, weshalb man selten einen wirkklich dominant rausgespielten Sieg gesehen hat, meist hat man ganz viel Endverteidigung und Fährmann gebraucht. Das ist jetzt anders: Schalke dominiert den Gegner und lässt selbst nichts zu, Fährmann ist keine Hauptperson mehr, Zweitligisten werden umgehauen, mittelschwache internationale Clubs ebenfalls.
Zu BR nix, weil das noch komplizierter ist. Ist ja auch alles bei Dir im Blog nachzulesen (habe ich gerade gemacht, um die Keller-Erinnerung aufzufrischen).
Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass Schalke deutliche Fortschritte in der Spielkontrolle (um mal ein anderes Wort statt Ballbesitz zu benutzen) gemacht hat.
Der Schlüssel für ganz vorne wird Embolo sein. der vereint die individuelle Klasse eines Choupos mit der Durchschlagskraft eines jungen Hunters oder Burgstallers.
Zu eurer Stürmerdiskussion: Interessanterweise hat MW im Interview gesagt (kicker.de?), genau Modestes‘ 17 Tore würden ja den Unterschied ausmachen (ich glaube, er erwähnte auch „Effizienz“). Deutlicher, liebe Kollegen EMCM und Huntelaar, kann man es ja nicht sagen. Und dann auch noch öffentlich. Ich war fast erschrocken, weil er ja sonst so extrem höflich und zurückhaltend ist.
Und: Ich weiß nicht, ob Du in den englischen Wochen noch mit den ausführlichen Kritiken hinterherkommst (morgen geht es ja schon wieder weiter). Aber im Spiel am Geißbockheim war es mir eigentlich egal, ob es Ballbesitzfussball oder das Andere ist (wie heisst das Andere?). Es war einfach lasch, und müde und unkonzentriert. Um das Gegentor haben sie gebettelt. Das war wie früher. Egal, wie man nach einer frühen Führung weiterspielt, man muss es souverän tun, und nicht ausstrahlen, dass man nicht weiß, was man tun soll. Die starke, siegesbewusste Grundhaltung muss noch in die „DNA“, wie es heute so schön heisst, quasi minimalinvasiv da irgendwie reinimplemtiert werden.