Leon Goretzka hat eine Fabel-Saison hinter sich, die mit dem Sieg des Confederation Cups gekrönt wurde. Bei den DFB Junioren war er schon lang Stammkraft und oft Kapitän. Jetzt förderte das Testspielturnier in Russland Deutschlandweit das ans Licht, was Schalkern schon längst klar war. Der Junge kann watt!
Kurzserie auf Halbfeldflanke. Die Deutsche Auswahl in den Finals der u21 Euro und des Confederation Cups, angetrieben von je einem Schalker im Mittelfeld. Ein Blick auf das Spiel aber besonders auch auf den Spieler.
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Das Confed Cup Finale
Zum Spielgibt es eigentlich wenig zu sagen. Die Chilenen wollten den Ball und sie bekamen ihn. Relativ untypisch für die deutsche Nationalelf überließen sie Ballbesitz den Gegnern und konzentrierten sich darauf zu kontern. Sehr typisch für die Bundesliga und passend zum Kader. Letztlich gewannen sie so und zeigten ein weiteres Argument für diese Spielweise.
Chile agierte in einem 4-3-3, mit Vidal als großen Aktivposten im Angriffsspiel. Mal schob er vor und war eine Art Stoßstürmer, dann wieder recht weit zurück ins offensive Mittelfeld. Die Außenverteidiger schoben recht hoch. Im Angriff wie auch der Verteidigung waren ziemlich viele Chilenen in der deutschen Hälfte. Zur Halbzeit spielten sie etwa das Vierfache an Pässen in der Gegnerischen Hälfte als Deutschland. Und wäre die Chancenverwertung besser gewesen, hätte das vielleicht auch Erfolg gebracht. Die deutsche Endverteidigung hielt aber und trotz gefährlichen Situationen gab es kaum zwingende Chancen.
Deutschland agierte in einem 3-4-3, wobei die Flügelspieler relativ zurückgezogen agierten, so dass sich meist eine 5er Kette bildete. Zentral gab Rudy vor der Abwehr den Staubsauger. Goretzka verbindungsspielerte daneben, war also in seiner Paraderolle unterwegs: als 8er. Mal ganz weit vorne, quasi als 10er, mal direkt neben Rudy als 6er.
Den Deutschen ging es dabei eher um das Umschaltmoment. Schon im Vorrundenspiel zeigte sich, dass Chile oft mit Mann und Maus nach vorne rückte. Wenn die erste Reihe aber überspielt war gaben sich viele Räume. Das wollte Deutschland ausnutzen. Und das passte wunderbar zum Kader. Kaum Bayern oder Dortmunder im Team. Werner, Stindl, Draxler leben eh von der Geschwindigkeit nach vorne. Rudy als Verteiler und Abfangjäger passte ebenso gut rein. Und dazwischen natürlich der Überumschalter Leon Goretzka der immer wieder Bälle abfing und Angriffe einleitete.
Das Ein-Mann-Mittelfeld
In seiner ersten Saison auf Schalke hatte er viele Probleme. Gesundheit, Schule, dazu noch der Wechsel vom VfL Bochum aus der 2. Liga und die damit verbundene Umgewöhnung. Keller setzte ihn zunächst nur ab und an auf den Flügeln ein, das Mittelfeld wurde ihm noch nicht zugetraut. Das änderte sich aber bald. Inzwischen ist er mit 22 Jahren einer der besten Mittelfeldspieler der Liga. Persönlich erinnert er mich immer irgendwie an den jungen Bastian Schweinsteiger, auch wenn der tiefer und vertikaler agierte. Die mentale Stärke und der Kampfgeist gehen aber in die gleiche Richtung.
Wie auch Basti Schweini hat Leon Goretzka ein ausgezeichnetes Gespür für Räume. Wo sich welche bieten und welche besser besetzt werden sollten und in welche reingestoßen werden könnte um einen Angriff auszuspielen. Das ganze verbunden mit guter Technik und der nötigen Physis auch mächtig Meter machen zu können.
Goretzka geht dabei sehr vertikal. Seine Tiefenläufe sind spätestens seit dem Mexiko-Spiel im Confed Cup ganz Fußballdeutschland bekannt. Er rennt dann diagonal oder vertikal durch die Abwehr, wenn er einen Raum erkennt. Die Verteidiger haben dann die Wahl, entweder den Raum besetzen und Goretzka decken, dafür aber eine andere Lücke öffnen oder aber eben geschlossen bleiben und Goretzka in gefährliche Position kommen lassen, darauf vertrauend, dass der Ball ihn schon nicht erreichen wird. Das ist natürlich je nach Situation fast unmöglich zu verteidigen.
Mentale Geschwindigkeit
Seine größte Stärke ist aber vermutlich, seine Gedankenschnelligkeit. Auf neue Spielsituationen braucht sich Goretzka nicht lang einstellen, intuitiv findet er sich zurecht und attackiert weiter. So fängt er viele Pässe ab, schaltet dann unfassbar schnell um und leitet Angriffe ein. Dabei ist Goretzka durchaus gewillt im Angriff auch Risiko einzugehen. Er weiß um seine hohe Geschwindigkeit und dass schnell manchmal wertvoller ist als präzise. So kommt er meist auf eine Passquote rund um 80%.
Interessanter Weise geht er nach einem Ballgewinn inzwischen oft zunächst ins Dribbling. Es scheint manchmal so, als wolle er seinen Mitspielern einen Moment geben zu verstehen, dass der Ball gewonnen wurde und sie jetzt ausschwärmen können. So sind die Angriffe erfolgsversprechender. Wenn Du schneller umschaltest als Dein Schatten, musst Du halt den Leuten etwas Zeit geben.
Torgefahr
Von einem offensiven Mittelfeldspieler wird stetige Torgefahr erwartet. Spätestens seit Ballack wissen wir das. Hier kann er sich noch verbessern. Es fällt aber auf, dass Goretzka der Torerfolg wichtiger ist als das Toreschießen. Immer wieder evaluiert er die Situation und wenn jemand anderes aussichtsreicher Postiert ist, bekommt dieser den Ball. Dabei ist er im Unterschied zu Meyer nicht auf Ballbesitz fokussiert, sondern darauf Angriffe zuende zu spielen. Bei so ziemlich keinem Schuss findet sich eine bessere Alternative.
Beim Confed Cup Finale gab es da eine Situation in der Goretzka einen Konter einleitete und dann am rechten Flügel entlang nach vorne rannte. Daneben 3 Verteidiger, sowie Stindl, Draxler und Werner, letzterer am weitesten weg, dafür relativ frei. Goretzka wählte den technisch anspruchsvollsten Pass über 5 Spieler hinweg zum Leipziger Stürmer und hätte dieser nicht so eine grottige Ballannahme, wäre das wohl das 2:0 gewesen.
Goretzka auf Schalke
Das alles machte ihn für Weinzierl so wichtig. In dessen Spiel braucht es einen Spieler der alles Ausbalanciert (lies: Nabil Bentaleb) und ein starkes Umschaltspiel. Goretzkas Stärken kamen so voll zum Tragen, das passte wie Arsch auf Eimer. Sozusagen.
Doch wie geht’s weiter? Tedesco steht vor der Aufgabe Schalke attraktiver und erfolgreicher Spielen zu lassen. Dafür braucht es ein stärkeres Ballbesitzspiel, weil sich gegen Schalke zwei Drittel der Liga eh hinten rein stellen und die Blauen aktiv Lücken suchen müssen. Dafür braucht es Geschwindigkeit und Ballverteilung. Und hier kommt Max Meyer ins Spiel. Obwohl beide unterschiedliche Philosophien verkörpern, harmonieren sie sehr miteinander. Schon in der vergangenen Saison haben sie das ein paar Mal gezeigt, obwohl Weinzierls Einbindung von Meyer meist recht schlecht war.
Als Konstrukt gemeinsam mit besagtem Bentaleb, könnte da großes entstehen. Der eine Ballanciert hinten, der andere vertikal und für’s Grobe und der Dritte beackert vorne alles und verteilt die Bälle, besonders falls der direkte Weg mal versperrt ist.
Fazit
Leon Goretzka ist noch Jung und doch schon heiß begehrt. Seine Vertikale Spielweise, immer mit Zug zum Tor sorgt für Aufsehen. Seine Umschaltgeschwindigkeit und allgemeine Gedankenschnelligkeit ist unfassbar, niemand leitet Angriffe schneller ein.
Interessanter Artikel! Jetzt hoffen wir einfach mal, dass Leon Goretzka auch auf Schalke bleibt. Und das bitte auch über 2018 hinaus. Wobei ich aktuell keine allzu große Hoffnung habe.