Ein krisengebeutelter Bundesligist aus dem oberen Tabellendrittel kommt nach Gelsenkirchen und hofft darauf in diesem Spiel die fußballerischen Sorgen vergessen zu machen, scheitert aber an sich selbst. Und am Schalker Pressing. We call it a Derby.

Die Grundformationen zu Spielbeginn.

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Der BVB kam mit einer 4er Kette in die Arena. Davon gibt es nur noch wenige in der mannorientierten Bundesliga, der Pressingliga. Und tatsächlich sollte dies auch ein wichtiger Punkt im Spiel sein.

Im 4-2-3-1 jedenfalls gab es mit Nuri Şahin einen tiefen 6er, der stetig direkt vor der Abwehr klebte und sich nicht selten auch direkt einfügte. Je näher Schalke also dem Borussen Tor kamen, desto mehr wurde die Abwehr zu einer 5er Kette. Das war vermutlich dem Respekt vor Schalkern Kontern geschuldet. Denn auch in eigenem Ballbesitz wurde eher vorsichtig aufgerückt. Zumindest 70 Minuten lang…

Der andere 6er, Mahmoud Dahoud, agierte eher als Verbindungsspieler. Das wahre Glanzstück bei den Gelben ist aber natürlich der Angriff. Marco Reus als 10er zwischen Maximilian Philipp (bzw. in der zweiten Halbzeit André Schürrle) und Christian Pulisic, hinter Michy Batshuayi – da stand schon mächtig Qualität auf dem Platz. Doch weil Dortmund aus Angst vor Kontern eher zögerlich agierte, blieben fast nur Einzelaktionen. Zumindest 70 Minuten lang.

Eingetragener Verein

Schalke formierte sich mal wieder in einem 5-1-2-2, das berüchtigte Schalker Pentagon aus dem 6er Bentaleb, den 8ern Goretzka und Harit und der Doppelspitze aus Burgstaller und Konoplyanka sollte das Zentrum dicht machen, für Gefahr sorgen und gleichzeitig die Flügel Stärken.

Für viele überraschend war sicherlich der Einsatz von Yevhen Konoplyanka, der aber als reiner Konterspieler in diesem Spiel sicher eine klare Wahl ist. Seine Schwächen im Kombinationsspiel fallen hier nicht sonderlich ins Gewicht, im Pressing ist er auch besser geworden. Dazu kann er mit Ball gut in den Strafraum eindringen. Was er ja hier auch mehrfach belegt hat, ganz besonders aber nicht nur mit dem 1:0 natürlich.

Insgesamt stand aber natürlich das Pressing im Vordergrund. Immer häufiger wird Domenico Tedesco ja inzwischen mit Diego Simeone und Schalke mit Atletico Madrid verglichen. Der Pragmatismus und das Pressing, alles mit hoher Intensität sowie extremen Einsatz. Und natürlich sehr erfolgreich. Da gibt es schon einige Parallelen. Fußballerisch war das Spiel allerdings nicht auf einem Niveau das man vermuten könnte, wenn sich Platzierungen 2 und 3 der deutschen Bundesliga gegenüberstehen. Aber so ist das mit dem Fußball in Deutschland gerade. Und die Bayern wollen sich dem Spielstil ja anscheinend anschließen…

Der Spielbeginn

Aber ich schweife ab. Derby. Schalke begann sichtlich nervös. Ein paar Einzelaktionen gingen in die Hose, insgesamt spielten die Blauen als würden die Gelben sie sehr einschüchtern. Das machten diese auch, besonders durch eine sehr aggressive Spielweise.

Durch die stabile Endverteidigung holte sich Schalke aber Sicherheit und etwa ab der 10. Spielminute waren die Knappen voll im Spiel. Die Borussia kam aber über die eigene Aggressivität nicht hinaus und nahm Fußballerisch an der Partie kaum teil.

Starke 1. Halbzeit

Etwa 15-20 Minuten nach Anpfiff beherrschte Königsblau die Partie. Hohes Pressing und schnelle Vertikalkombinationen brachten Schalke relativ leicht ins letzte Spielfelddrittel. Da die Dortmunder aber sehr zögerlich agierten, waren dort meist genug Spieler um den Schalkern das Leben schwer zu machen. Viel mehr als ein paar Schüsse von außen waren zunächst nicht drin. Das alte Schalker Problem, es fehlt ein Plan in den Strafraum einzudringen.

Richtung Halbzeitpause spielte sich Schalke etwas fest, ein paar Verlagerungen mehr hätten es schon sein können. Insgesamt war aber viel Bewegung drin. Besonders Goretzka und Harit waren sehr aktiv. Ersterer war ein starker Aktivposten, speziell im Pressing. Stellte viele Räume zu, fing Bälle ab und setzte Gegner unter Druck. Offensiv wirkte es aber etwas als wollte er zu viel und stand tendenziell eigentlich immer 2-5 Meter zu hoch.

Dem BVB ging dagegen die Intensität ab. Schalker wurden teilweise nur halbherzig angelaufen, so hatten diese recht viel Luft und konnten den Ball schön weiter verteilen. In der letzten Viertelstunde der ersten Halbzeit korrigierte Stöger das aber und so fand Dortmund ein bisschen besser ins Spiel. Genauer beschränkten sie sich auf reines Konterspiel und konnten ein paar Mal Richtung Strafraum durchbrechen. Schalke hatte in dieser Zeit 65,5% Ballbesitz und eine Passerfolgsquote von 87%.

Änderungen zur Halbzeit

Beiden Trainern war dieses sehr bewusst und reagierten entsprechend. Stöger wollte das Konterspiel stärken, brachte Schürrle auf den Flügel. Gleichzeitig wollte er aber auch die Defensive stärken. Die 4er Kette wurde spätestens jetzt zu einer pendelnden 3er Kette, das heißt, dass aus den nominell 4 Verteidigern, bleiben eigentlich immer 3 hinten. Sprich, nur einer der Außenverteidiger darf aufrücken. Oft war das Schmelzer. Sobald Schalke den Ball gewann sollte dieser aber eben auch zurückkommen. Und Sahin fügte sich eh in die letzte Reihe ein. Schalke spielte jetzt also de facto gegen eine 5er Kette.

Tedesco bemerkte, dass die Phase, die Schalke beherrschte, Dortmund stark gemacht hat. Also wollte er aufhören damit. In den ersten 15 Minuten des zweiten Durchgangs kam Schalke auf stolze 37,9% Ballbesitz. Über die komplette zweite Halbzeit waren es sogar nur 28,5%. Es war deutlich, dass die Borussen mit dem Ball nichts anzufangen wussten. Und Schalke wollte das ausnutzen. Erfolgreich…

Das 1:0 und was dann passierte

Das 1:0 kam aus genau so einer Kontersituation. Und genau genommen war das schon die zweite oder dritte in der Halbzeit die Brandgefährlich war, auch wenn das Tor in der 50. Spielminute fiel. Dortmund fehlte die es die komplette Partie über an Kompaktheit, das nutzte Schalke aus. Daniel Caligiuri presste Marcel Schmelzer im Spielaufbau und gewann den Ball. Gleichzeitig explodierte das Mittelfeld nach vorne. Konoplyanka hatte den Platz den er braucht. Tor.

Nach dem Tor zog sich Dortmund zunächst etwas zurück. Eigentlich ein Schalke move, aber so ergaben sich 10-20 Minuten in denen das Spiel eigentlich komplett tot war. Blau wollte den Ball nicht und Gelb verstolperte ihn ständig. Bei der Schalke TV Übertragung sprach Jörg Seveneick von Selbstaufgabe und vermutlich sogar zurecht.

Umstellung bei Schalke

Die 3er Kette bei Dortmund habe ich oben bereits beschrieben. Schalke versuchte die aber mit nur 2 Stürmern zu pressen. Das kann nicht funktionieren. Tedesco wollte nachlegen und stellte um. Die Auswechslungs Goretzkas für Weston McKenny hatte zur Folge, dass es jetzt nur noch einen 8er gab, den jungen Amerikaner nämlich. Harit schob vor (und wechselte die Seite), Schalke spielte jetzt mit 3er Sturm.

Da die Borussen ja aber insgesamt nicht hoch aufrückten, hatten es auch 3 Spieler in der ersten Pressinglinie nicht leicht. Sie beschäftigten den BVB aber sichtlich. So konnte weiterhin nicht stark aufgerrückt werden und die Spieler fehlten im Angriff. Marko Pjaca kam deswegen bei Schalke für Konoplyanka, weil dieser auch mal eher ein Auge für Mitspieler im Dickicht der Verteidigung hat.

Schalke übertreibt mal wieder

Ein Problem bei dieser Spielweise ist, die Balance nicht zu finden und dann nicht mehr umschalten zu können. Schalke hatte zwischen der 61. Und der 75. Spielminute nur 19,5% Ballbesitz. Es wirkte ein bisschen als wäre die Luft raus. Zwar kam noch Franco Di Santo, laufstarker Pressing-Arbeiter, aber eigentlich stemmten sich die Knappen nur noch gegen die Wucht der Borussia. Zumindest nach der 70. Minute.

Auf die Schalker Endverteidigung war allerdings verlass. Viele Brenzlige Situationen, aber nur wenig echte Torgefahr. Auf der anderen Seite spielten die Blauen natürlich dennoch ein paar gefährliche Konter in dieser Zeit. Einer davon konnte nur irregulär gestoppt werden. Freistoß. Naldo. Tor.

Bentaleb vs Meyer

Einzelspieler herausheben ist natürlich immer etwas kompliziert bei einer starken Mannschaftsleistung wie dieser. Über Goretzka hab ich ja oben schon ein paar Sätze geschrieben. Kehrer fiel zu Beginn sehr durch Nervosität auf, zeichnete sich später aber durch Ruhe aus. Stambouli trieb an und grätschte weg, was ging (ich werde langsam zum Fam von ihm), Harit war wie immer überall.

Caligiuri ist selbstverständlich der herausragende Akteur auf Schalke in dieser Saison. Wie der sich entwickelt hat unter Tedesco ist unglaublich. Inzwischen wird er nichtmal auf den anderen Flügel beordert, weil er auf rechts so stark ist. Schöpf musste dafür auf die andere Seite, über die das Gros der Angriffe liefen. Und natürlich Naldo. Was der da wegspielt und wie ruhig der alle dirigiert und wie Torgefährlich der ist, alles reiner Wahnsinn.

So könnte ich Stundenlang weiter machen, möchte aber lieber einen kurzen Blick auf Nabil Bentaleb werfen. Der ist ja in den letzten Wochen zum festen 6er geworden. Nachdem er schon eigentlich aus der Mannschaft raus und Max Meyer gar nicht wegzudenken war. Ohne eine weitere Lobhudelei auf einen der beiden ablassen zu wollen (davon gibt es hier schon genug), möchte ich einmal auf die Unterschiede eingehen, die gewiss in die Aufstellungsentscheidung eingehen.

Schalkes Spielstil ändert sich

Selbstverständlich werde ich das nochmal genauer auseinander nehmen, aber in aller Kürze: Schalkes Spielstil ändert sich. Schon in der Hinrunde wurde aus einem reinen Konterspiel zu einem Ballbesitzspiel. Max Meyer war hier der Schwerpunkt um den herum alles kreiste. Damit wurde Schalke aber verletzlich und Tedesco suchte nach weiteren Lösungen. Zwischenzeitig wurde das Seelenheil in verstärkt Vertikaler Spielweise gefunden. Es wird also wieder weniger Kombiniert und direkter nach vorne gespielt. Dem wie und wieso widme ich mich dann bei Zeiten.

Meyer ist ein Spieler der das klein-klein liebt. Auf engstem Raum findet er extrem gute Lösungen. Bentaleb liegen enge Räume eher weniger, die Stärke liegt eher in der Geschwindigkeit und in den Laser-Pässen die er spielen kann. Beide haben eine sehr gute Spielübersicht, der eine nur weiträumiger als der andere. Dazu gehen beide mit Risiko anders um, Meyer steht für Ballbehauptung, Bentaleb für Risiko Angriffe.

Kombinationsspiel auf engstem Raum ergibt sich in der Bundesliga zur Zeit quasi nie. Besonders im eigenen 6er Raum, weil alle nur tief sitzen und schnell zum Abschluss kommen wollen. Sich gegen hohes Pressing behaupten zu müssen und den weg durch ein volles Feld zum gegnerischen Tor zu finden passiert eigentlich nur noch gegen die Bayern.

Selbstverständlich könnte Schalke sowas erzwingen, indem selbst auch auf mehr Ballbesitz gegangen wird, in der Rückrunde geht die Entwicklung aber definitiv in eine andere Richtung.

Eintracht Frankfurt steht in der Ballbesitztabelle übrigens nur knapp vor Schalke. Ich denke am Mittwoch erwartet uns eine Konterschlacht. Aber das macht Schalke ja recht gut zuletzt. Genau wie Atletico.

6 Replies to “Derby-Sieger durch Pressing und Mentalität. FC Schalke 04 – Borussia Dortmund, 2:0

  1. Hallo Karsten, erstmal vielen Dank für Deine perfekte Analyse.
    Ich habe das Spiel einfach nur genossen und war wie eigentlich immer, nicht in der Lage allzu sehr auf die Taktik zu achten.
    Im Kopf herum geht mir die Sache mit Max Meyer. Für ihn ist es, falls er noch keinen neuen Verein hat, sicher alles andere als optimal, dass er zur Zeit meistens auf der Bank sitzt. Sein Wert dürfte wöchentlich fallen. Bentaleb hat mich aber sehr überzeugt. Ich würde Meyer in denn letzten Wochen gerne nochmals weiter vorne sehen, zum Beispiel auf der Position die Harit anfangs hatte. Mit den in der Hinrunde erlernten defensiven Fähigkeiten müsste da doch auch ein Platz für ihn sein. Schade finde ich, dass seine Dribbelfähigkeiten von vor circa 4 Jahren gar nicht mehr gefragt sind.

    1. Ich glaube weiter vorne wird es schwierig für ihn, weil ihm die Torgefahr ein bisschen abgeht. Die ist Tedesco aber natürlich sehr wichtig bei den offensiven Mittelfeldspielern. Aber ich bin bei Dir, finde das auch alles sehr schade, weil ich ihn sehr gern spielen sehe.

    2. Die Max Meyer-Sache ist schon irgendwie tragisch. Er ist vermutlich der größte Leidtragende der Schalker Trainerfluktuation der vergangenen Jahre. Das seine Zeit gerade jetzt enden wird, wo er die erste gute Saison als vollwertiger Profi spielt und einen Trainer hat der ihn dabei unterstützt ist ein trauriges Beispiel für die Absurditäten dieses Fußball-Business‘, denn nur darum geht es ja anscheinend in diesem Fall.

      Irgendwie würde es mich freuen, wenn er doch noch bliebe, aber so richtig vermissen würd ich ihn wohl auch nicht falls er geht. Schauen wir mal.

  2. Möchte hier einfach nochmal ein Lob für Stambouli aussprechen. Wie der sich innerhalb einer Saison gemacht hat, einfach nur stark, finde das Spiel gegen Dortmund war nur noch das i-Tüpfelchen. Richtig starke Spieleröffnung, sehr Zweikampfstark, mMn um Welten besser als Kehrer (schon seit Monaten). Man muss auch sagen das er nach in der letzte Saison die für ihn ziemlich schlecht lief nicht wie andere (z.B.Kono) schlechte Stimmung gemacht oder groß gemeckert hat. Er hat das einfach durchgezogen, das nenne ich Charakterstark.

    1. Stambouli ist mir auch zum Lieblingsspieler geworden. Er wirkt auf mich aus der großen Entfernung als total angenehmer Typ. Spielerisch passt es diese Saison auch meist. Ein Profi wie man ihn sich in seinem Team wünscht.

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