Die Seuchen-Saison ist vorbei. Endlich. Und zum Glück ist alles nochmal glimpflich ausgegangen. Warum das so ist und was denn alles so passiert ist, wie immer nüchtern beleuchtet.

Die Hinrunde

Fangen wir mal am Anfang an. Bei der Hinrunde. Aber nur kurz, Details gab’s im Winter schon.

Domenico Tedesco wollte in der Saison nach der Vize-Meisterschaft das Spiel deutlich weiterentwickeln. Im Sommer hatte sich der Kader allerdings auch stark verändert und so wurde zunächst etwas Zeit aufs Pressing verwendet. Tedescos Pressing benötigt einen Hohen Grad an Abstimmung des Teams. Jeder muss genau wissen was er wann zu tun hat. Das muss sich über ein paar Spiele stabilisieren. Allerdings brauchte dieser Prozess länger als erwartet und entsprechend mehr Fokus.

Die ersten Partien gingen entsprechend in die Hose. Die Defensive stand noch nicht stabil, gleichzeitig wurde noch wenig daran gearbeitet was denn mit dem Ball anzufangen sei. 5 Niederlagen waren eine große Hypothek. Als der Spielplan dann die Gegner vorsah die Schlagbar waren (also im groben alles zwischen dem 4. Spieltag gegen die Bayern und dem Derby am 14. Spieltag) wo auch Punkte eingefahren wurden, war die Kacke eigentlich schon am Dampfen.

Immer neue Ausfälle auf die reagiert werden musste, dazu viel Druck ab jetzt aber alles gewinnen zu müssen. Viel Druck, viel Optimierung. Tedesco, der immer das best-mögliche für das folgende Spiel aufsetzen wollte verhedderte sich darin. Das kurzfristige Ziel der nächsten Partie wurde über das langfristige Ziel der generellen Entwicklung gestellt.

Es ist schwer sowas zu verurteilen, schließlich rufen alle immer nach Veränderung. Oft wird ihm hier seine Jugend vorgeworfen, der Mangel an Erfahrungen. Sowas halte ich für dummes Zeug. Das einzige was ich in dem Zusammenhang vielleicht sehe, ist fehlende Gelassenheit, die im Umgang mit Druck hilfreich ist.

Die Rückrunde fängt an

Das alles wussten wir im Winter (zur Hinrunden-Analyse). Und das wusste auch Tedesco im Winter. Und der Verein. Mit Seppo Eichkorn wurde ein alter Hund als Co-Trainer ins Team geworfen. Als eins der Hauptprobleme wurde ausgemacht, dass Schalke Probleme beim Toreschießen hat. Daran wurde im Winter viel gearbeitet. Es soll mehr Geschwindigkeit geben. Einer der Schlüsselspieler im neuen Ansatz: Alessandro Schöpf.

Und so startet Schalke recht begeisternd mit einem Sieg gegen Wolfsburg und einem etwas unglücklichen Unentschieden in Berlin. Insgesamt blieb das Gefühl, dass sich einiges positiv Entwickelt gerade. Schalke spielte jetzt mit Doppel-6, damit offensiver und gab die meisten Schüsse der Saison in dieser Periode ab. Es blieb aber auch, dass Dauerläufer Schöpf für den Rest der Saison ausfällt. Also musste wieder Umgebaut werden.

Gegen Gladbach zeigten sich dann zwar wieder gute Ansätze, allerdings war der Gegner einfach besser. Doch für den Kopf war das nicht gut. Dann nach München und die Aufbruchsstimmung war direkt wieder im Eimer.

Die Tiefpunkte der Saison

Witziger Weise wurde der Saison Tiefpunkt mit dem vielleicht besten Spiel der Saison eingeleitet. Dem Hinspiel gegen Manchester City. Um gerade mal 5 Minuten schrappte Schalke an dem Sensationssieg gegen die vermutlich beste Mannschaft der Welt. Das Kollektiv funktionierte wunderbest, Pressing wie in der Vorsaison und City hatte wirklich Probleme damit. Klar, die Engländer haben Schalke unterschätzt. Und selbstverständlich hatte Schalke mit zwei Strafstößen auch ein bisschen Spielglück. Aber insgesamt war es eine wirklich gute Partie. Von der plötzlichen Nervosität in der Endphase abgesehen, da war das Team körperlich am Ende.

Was darauf aber folgte war die Karnevalskrise. Die beiden Partien gegen Mainz, Düsseldorf waren sportlich sicherlich der Tiefpunkt der Saison. 0:7 Tore in zwei Spielen gegen Gegner, die nach dem Selbstverständnis hinter Schalke in der Tabelle zu finden sein sollten. Es wurde jeweils ohne Intensität angefangen und mit dem ersten Gegentor fiel die Mannschaft dann krass auseinander.

Es waren letztlich viele Einzelaktionen. Oft merkte ein Spieler, dass jetzt etwas passieren müsse, und versuchte etwas auf eigene Faust. Jeder wollte der sein, der das Ruder rumreißt. Wenn das Kollektiv allerdings nicht funktioniert ist es in der Bundesliga schwer. Schwerer wurde es durch fehlendes Spielglück, der Spielverlauf zeigte oft, dass Pläne eigentlich sinnvoll waren, aber nur selten aufgingen. Viele Verletzte und Spieler die aus von außen nicht ersichtlichen Gründen ihre Leistung nicht auf den Platz brachten. Und dazwischen ein Trainer, der immer zu optimieren versucht. Umstellt, Spieler rein und rausholt, je nachdem in welche Richtung die Formkurve gerade zeigt.

Gegen Bremen wurde zwar einiges besser, es wurde wieder mehr im Kollektiv gespielt und das Pressing griff wieder recht gut. Allerdings stümperte Schalke wieder im Angriffsdrittel. Und mit dem ersten Gegentor wurde die Mannschaft sehr nervös. Wer 4 Gegentore bekommt hat Probleme die positiven Aspekte herauszustellen. In einem extrem stürmischen Umfeld natürlich um so mehr.

Was folgte war dann das Rückspiel in Manchester. City, diesmal besser vorbereitet nahm Schalke auseinander. Auch hier war nicht alles schlecht, besonders in den Anfangsphasen der beiden Halbzeiten. Aber recht schnell ließen dann alle die Köpfe hängen, die Beine wurden schwerer und schwer, Schalke bekam 7 Stück und Domenico Tedesco wurde beurlaubt.

Der Mix aus hohem Willen ständig alles Optimieren zu wollen, fehlender struktureller Unterstützung im Verein, viel Spielpech, Ausfällen und einer ganzen Menge Zufall hat ihn den Job gekostet. Letztlich hat er es trotz diverser Anläufe nie geschafft Schalke ein belastbares Offensivspiel zu verpassen (zur Detail-Analyse Tedescos Zeit bei Schalke).

Trainerwechsel! Bämm!

Dass Trainerwechsel aus rein sportlicher Sicht wenig sinnvoll sind, habe ich in der Zeit mal beleuchtet (zum Text). Da erkläre ich auch, dass es sich im Profifußball eben nicht nur um die sportliche Sicht dreht. Spätestens um wieder Ruhe in den Verein zu bekommen war der Trainerwechsel sicherlich richtig und notwendig. Und so installiert der neue Sportvorstand Jochen Schneider auch eine Gruppe von Eurofightern: Stevens, Büskens, Asamoah. Viel Wohlfühlfaktor, vermengt mit dem nötigen an Kompetenz. Das Personal war klar darauf Ausgerichtet Schalke wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Besonders weil Schneider sicherlich bewusst war, dass die kommenden Wochen politisch nicht einfach werden.

Insgesamt folgt das Muster des Trainerwechsels allerdings dem typischen Muster im Fußball. Ein Team under-performed eine Zeit lang, irgendwann gibt es dann ein paar Spiele in denen das ganze nochmal drastisch unterboten wird (Karnevalskrise). Dann wird der Trainer gewechselt. Die Studien zeigen interessanter Weise, dass die Lage nicht so dramatisch bleibt, weder mit neuem Trainer noch ohne. Das Spiel in Bremen zeigte schon einen Aufwärtstrend (trotz des Ergebnisses, 4:2).

Die Werte nach dem Trainerwechsel gingen weiter hoch. Es wäre zu viel gesagt zu Behaupten, dass sich die Lage entspannt hätte. Aber die Zahlen der zweiten Hälfte der Rückrunde sind nur knapp unter denen der zweiten Hälfte der Hinrunde. Die Zahlen der ersten Hälfte weichen teilweise kaum in anderen Bereichen allerdings sehr deutlich ab.

Huub übernimmt

Taktisch änderte sich unter Stevens eigentlich nicht viel. Das Pressing funktionierte von Spiel zu Spiel etwas weniger intensiv und das Stellungsspiel wurde auch schlechter (natürlich gibt’s da einen Zusammenhang). Stevens setzte darum stärker auf Mannorientierungen und passives Anlaufen, ohne letztlich in die Zweikämpfe zu gehen. Und das mit dem Toreschießen klappte auch jetzt nicht wirklich besser. Entsprechend stand Schalke oft tief. Stevens stellte ein paar Mal auf 4er Kette mit Raute um, brachte gelegentlich eine Doppel-6, im Groben blieb es allerdings beim 5-3-2 mit einer Doppel-8.

Was wirklich besser wurde, war die Ruhe im Team. Der Einsatz, der auch zuvor eigentlich nicht zu bemängeln war, blieb jetzt konstant. Gegentore wurden geschluckt, aber es wurde weiter probiert. Das war über weite Teile der Rückrunde nicht der Fall. Was definitiv nicht besser wurde war das Spiel selbst (siehe etwa Analyse zum Frankfurt Spiel). Schalke stand jetzt noch deutlich tiefer und versuchte noch weniger Fußball zu spielen. Dazu nahm auch noch die Schussqualität (Verhältnis Schuss zu Torschuss) ab, von 34% auf 29%.

Naja, und dann war da natürlich noch das Derby mittendrin. Großartig. Wieder 4 Tore (zur Analyse). Plötzlich war Schalke effizient, wie nie zuvor in dieser Saison. Fußballerisch bleibt aber anzumerken, dass sich Dortmund in erster Linie selbst geschlagen hat. Das Spielglück, was sich fast immer in Spielpech auswirkte diese Saison, entlud sich hier. Völlig verdienter Sieg, daran bleibt nichts zu rütteln, allerdings war das Spiel sportlich gesehen nicht der große Ausreißer zu dem es oft gemacht wird. Selbst mit zwei Spielern mehr auf dem Feld wusste Schalke nichts mit dem Ball anzufangen. Das ist schlecht.

Zahlen, bitte

Nachdem wir das hinter uns haben, gucken wir mal auf ein paar Details. Das spannendste dabei ist natürlich der Unterschied zwischen Tedesco und Stevens. Als die Saison für Tedesco zu Ende war stand Schalke auf Platz 14 in der Bundesliga. Zum Ende der Saison auch. In der Huub Stevens Tabelle (also nur die Spieltage 26 – 34 betrachtend) steht Schalke auf Platz 11. Da sich der komplette Tabellenkeller in dieser Zeit befindet, ist der Teil des Spielplans wohl als leichter einzustufen.

Insgesamt fällt auf, dass Schalke die geringste Laufleistung der Liga abgeliefert hat. Nur in 7 Partien liefen die Knappen weiter als ihre Gegner. Nun soll das nicht viel heißen, denn unter den Wenigläufern befinden sich auch die Bayern und Frankfurt. Allerdings ist deren Fußball natürlich etwas anders gestrickt. Die Laufleistung spiegelt jedoch das Gefühl eines sehr trägen Spiels wieder, das Schalke in dieser Saison bot.

Interessant ist, dass Schalke in der schwächsten Saisonphase die beständigsten und höchsten Ballbesitzwerte hatte. Allerdings hatte sich natürlich auch schon rumgesprochen, dass Schalke wenig mit dem Ball anzufangen weiß. Merklich ging der TSR während der Karnevals Krise (Spieltage 23 & 24 gegen Mainz & Düsseldorf) besonders in den Keller. Die Theorie, dass sich Schalke danach eigentlich schon wieder rehabilitiert habe wird von den Werten im Bremen-Spiel untermauert, die bereits wieder auf normales Niveau des Tedesco-Sicherheits-Fußball™ geschraubt wurden.

Unter Stevens stieg die Passerfolgsquote beständig an. Merkwürdiger Weise ging gleichzeitig der Ballbesitz runter. Es wurde also passsicherer gekontert. Womit wir zum Thema Tore kommen…

Expected Goals

Blicken wir etwa auf den Wert der zu erwartenden Tore (xG, Expected Goals). Dies ist eine statistische Methode zur Bewertung der Abschlüsse, die eine Situation vergleicht und guckt in wieviel Prozent der Fälle Tore resultierten (Details). Hiernach hätte Schalke im ersten und dritten Saison-Viertel (also jeweils die erste Hälfte der Hinrunde und der Rückrunde) im Schnitt 1,2 Tore pro Spiel schießen müssen. Tatsächlich waren es allerdings nur 0,6 bzw. 0,9 Tore. Den großen Unterschied machen die Gegentore. Erwartet wurden 1,1 im ersten Saison-Viertel und sogar ganze 2 Gegentore im dritten. Tatsächlich wurden beide Werte sogar noch übertroffen (1,4 und 2,4 Tore).

SpieltagePunkteToreGegentorexGxGABallbesitzPasserfolg
1-80,80,61,41,21,147,174,1
9-171,31,71,41,71,548,476,1
18-250,60,92,41,22,047,577,4
26-341,11,11,31,21,539,977,9

Das zeigt das Problem der Rückrunde unter Tedesco, am Ansatz selbst Tore zu schießen hat sich wenig geändert, sehr mau, obwohl Schalke 50% effektiver wurde. Trotz der stark defensiven Ausrichtung allerding gab es eine hohe Gegentorerwartung, die sich in der Rückrunde noch fast verdoppelt hat und gleichzeitig konnte diese Erwartung noch um 20% übertroffen werden. Gegner hatten also zahlreiche Chancen und nutzten diese noch besser als zu erwarten gewesen wäre.

Kommen wir jetzt zum spannenden Teil, der jeweils zweiten Hälfte der Hin und Rückrunde, also genau den Vergleich zwischen Domenico Tedesco und Huub Stevens. Ich habe schon beschrieben, dass Stevens Ansatz die defensive Ausrichtung noch weiter radikalisiert hat. Die Ballbesitzzahlen machen das deutlich. Im zweiten Saison Viertel hat Schalke einen xG Wert von 1,7 zu erwartenden Toren im Schnitt pro Spiel erreicht. Und genau das hat Schalke im Schnitt auch geliefert: 1,7 Tore.

Entscheidend sind ja wie gerade bemerkt die Gegentore. Hier wurden 1,5 Gegentore pro Spiel erwartet und mit 1,4 Gegentoren auch nahezu kassiert. Der Wert der zu erzielenden Tore ging also hoch und der Wert der Gegentore ging runter. Gleichzeitig gab es kaum Abweichung zwischen dem xG Wert und den tatsächlichen Toren.

Wobei die Werte der jeweils ersten Hälfte der Hin- und Rückrunde sich nur in den Gegentoren wirklich unterschieden, sieht es in der jeweils zweiten Hälfte etwas anders aus. Hier sind die zu erwartenden Gegentore identisch (jeweils 1,5 xGA), allerdings sind die erwartenden erzielten Tore um ein halbes gesenkt worden (von 1,7 xG auf 1,2 xG).

Tatsächlich sind die erzielten Werte sehr Ähnlich. Es wurde 1,1 Tore aus 1,2 xG erzielt und sogar etwas besser verteidigt als erwartet, aus 1,5 xGA resultierten nur 1,3 tatsächliche Gegentore. Wenn wir uns den Unterschied zwischen den Werten aus der Hinrunde unter Tedesco ansehen und sie mit den Werten der Rückrunde unter Stevens vergleichen (also die gleichen Gegner), so hat der Jahrhunderttrainer einen um 30% niedrigeren xG erzielt. Defensiv allerdings hat er den xGA Wert der zu erwartenden Gegentore im Vergleich mit der ersten Hälfte der Rückrunde (vermeintlich schwerere Gegner) um 25% verringert.

In der rollenden Darstellung fällt auf, dass die erwarteten Gegentore seit dem 25. Spieltag kontinuierlich gesenkt werden konnten. Gleichzeitig wurden die erwarteten Tore kontinuierlich gesteigert. Tatsächlich waren da auch Rekordwerte erreicht, ob die so geblieben wären, bzw. sich weiter verschlechtert hätten, oder ob sie sich nicht in jedem Fall gebessert hätten, bleibt Kaffeesatzleserei. Besonders bei den erwartenden Toren wurde eigentlich ein stabiles Level gehalten, bis zu einem heftigen Einbruch zwischen dem 21. und dem 24. Spieltag.

Zur Orientierung bei den Grafiken: Das erste Spiel unter Huub Stevens gegen Leipzig war nach nur einem Trainingstag am 26. Spieltag.

Torwartfrage

In so einer Saison einzelne Spieler besonders raus zu heben erscheint mir unsinnig. Jeder ist ja auch immer ein Teil des Ganzen.  Eins der großen Themen während der Saison war die Torhüterfrage. Persönlich halte ich Ralf Fährmann wie auch Alexander Nübel für exzellente Keeper. Dabei ist ersterer auf der Linie förmlich unbezwingbar und letzterer eher ein Komplettpaket, besonders mit Stärken im Aufbau.

Um die stärken im Aufbau jedoch auszunutzen, sind entsprechende Strukturen bei den Vorderleuten nötig. Wenn ein Team die Verteidiger im Aufbau neben dem Strafraum postiert, wie besonders zum Ende der Saison hin, bringt dir der mitspielendste Torhüter der Welt nur wenig. Wenn der Umschaltmoment insgesamt eher wie in Zeitlupe funktioniert, dann auch.

Letztlich ist Alexander Nübel ein junger Torhüter mit enormem Talent. Um dieses aber richtig zu nutzen sollte die Mannschaft entsprechend eingestellt werden. Das ist in dieser Saison nicht passiert, für die nächste aber sehr wichtig, damit das mit dem Toreschießen auch mal wieder klappt.

Viel Lärm neben dem Platz

Ein großer Unruheherd der Saison lag allerdings nicht auf dem Platz, sondern rundrum. Der Abgang Heidels, die Beurlaubung Tedescos, der neue Sportvorstand, die öffentliche Suche nach neuem Trainer, Manager und Kaderplaner, viel Lärm im Boulevard und unter Schalkern haben viel Kraft gekostet. Besonders natürlich Huub Stevens der versucht hat die Situation zu moderieren und den drohenden Abstieg abzuwenden.

Im Verein brannte es deutlich in den letzten Monaten. Christian Heidel hatte es geschafft, dass trotz der schlechten Ergebnisse großteilig Ruhe im Verein war. Das Vertrauen war groß und der Boulevard brauchte viel Energie und Ausdauer um daran etwas zu ändern. Nachdem er weg war, drehten gefühlt alle frei. Schlagzeilen übertrafen sich plötzlich im Minutentakt und es wurden Dinge öffentlich, wo eine ganze Zeit lang Ruhe war.

Dazwischen gab es viel Hickhack mit der Mannschaft. Bentaleb wurde für gut 3 Wochen suspendiert, dann begnadigt, bevor er 2 Wochen später erneut zur U23 versetzt wurde. Die Gründe, die dann irgendwie durchsackten schienen jeweils sehr fadenscheinig. Es wird vermutlich mehr dahintergesteckt haben. So richtig souverän wirkte dabei allerdings niemand, besonders Stevens nicht, der ja immer den Kopf hinhalten musste. Dazu kommen diverse Andeutungen aus dem Verein und Interpretationen von Reportern, die zwar alle maximal als Indizien gelten können, aber im Team selbst scheint einiges nicht so recht zu stimmen.

Interessanter Weise sowas, nachdem Schalke im letzten Jahr sich genau durch ein sehr gut funktionierendes Team ausgezeichnet hat, das nach der Saison ja sogar noch gemeinsam in den Urlaub gefahren ist. Von außen Gründe zu suchen ist aber schlicht unmöglich, darum belassen wir’s einfach mal dabei.

Noch ein paar Worte zu Huub Stevens

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Stevens zur Mission Klassenerhalt antrat und die Klasse erhalten wurde. Ein Rudel Eurofighter wurden für 2 Monate in Stellung gebracht das Chaos irgendwie in ruhigere Wasser zu führen. Das hat geklappt. Nicht mehr und nicht weniger.

Einen Einfluss auf den Fußball als solchen hatten Stevens, Büskens & Asamoha meines Erachtens nach kaum. Und wenn dann eher negativen. Das Pressing, das Stellungsspiel, das Offensivverhalten, all das wurde schlechter. Der Fußball wurde weiter schlechter (und er war schon sehr schlecht).

Dabei unterscheide ich hier zwischen dem eigentlichen Fußball auf dem Platz und das was drumrum passiert. Selbstverständlich beziehe ich mich in erster Linie auf das sportliche (#TaktikBlog). Das soll nicht bedeuten, dass ich die politische Perspektive nicht anerkenne, herabstufen will oder irgendwie sonst ignoriere.

Unter Stevens Leitung wurde es wieder ruhiger. Die Mannschaft hatte wieder Kredit und generell traf er den Nerv und den richtigen Ton vieler Anhänger. Das ist wirklich wichtig und ihm nicht hoch genug anzurechnen. Es war ein elementarer Bestandteil des Klassenerhalts. In dem Chaos und bei dem Lärm der davor herrschte, hätte es vielleicht noch sehr eng werden können. Stevens hat das gut durchmoderiert. Das meine ich anerkennend, nicht spöttisch.

Ich glaube genau dafür ist er gekommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass kein Trainer der Welt das Spiel Schalkes in der kurzen Zeit deutlich positiver hätte gestalten können und ohnehin der Meinung, dass Coaching immer nur langfristig funktioniert, niemals Kurzfristig.

In diesem Sinne: Dank je wel, Huub!

Das Saison Fazit

Nachdem Schalke letztes Jahr über die Verhältnisse abgeschnitten hat, war diesmal das Gegenteil der Fall. Das Pressing war, ab dem 4 Spieltag etwa, eigentlich recht gut in Schuss. Trotzdem kam es zu viel zu vielen unnötigen Gegentoren. Gleichzeitig klappte das mit dem Toreschießen allerdings nie (Strafstöße ausgenommen). Die logische Kernaussage: Defensivfußball ist tot.

Über die gesamte Spielzeit und über zwei sehr unterschiedliche Trainer hinweg, suchte Schalke sein Heil im Defensivfußball. Eigentlich nie erfolgreich oder ansehnlich. Trotz hohem Anteil an Sympathisanten (Tedesco und Stevens etwa sind beide ja recht beliebt) wurde die Mannschaft nicht selten mit Pfiffen bereits in die Halbzeit geschickt. Und zwar zurecht. Was Schalke in dieser Saison auf den Platz brachte war ein Trauerspiel. Sicher, es war viel Pech dabei, geändert hätte das aber nicht.

Und das ist der Teil, der mich optimistisch stimmt. Diese Saison ist in erster Linie die Verkettung unglücklicher Umstände in meinen Augen, die sich gegenseitig massiv aufgeschaukelt haben. Ich glaube, dass Schalke eigentlich einen ganz guten Kader hat. Richtig eingebunden, ein paar Spieler aussortiert, an den richtigen Stellschrauben gedreht und punktuell sinnvoll verbessert, und Schalke könnte in einem ganz neuen Licht erstrahlen.

Könnte… Wenn, ja wenn Schalke endlich mal Mutig ist und auf Offensivfußball setzt. Meiner Meinung nach sollte der Defensivfußball nach dieser Grusel-Saison zu Grabe getragen werden.

9 Replies to “Analyse 2018/2019: Wie der Defensivfußball Schalke fast das Genick brach…

  1. Danke Dir für die umfassende und sehr guten Analyse. Ich denke, was man noch zusätzlich beleuchten muss ist die sehr enttäuschende Rolle von CH. Mit dem, was er gesagt hat, lag er oftmals sehr richtig, aber mich würde interessieren, was für ihn ausschlaggebend war, dass er geradezu geflohen ist. Die Kaderplanung müsste man näher in den Blick nehmen. Spieler, die das Spiel hätten besser machen können, wie Embolo, Harit, Bentaleb und Uth waren entweder verletzt oder spielten sich selbst ins aus, weil sie charakterlich versagten.
    Mich würde mal die Einschätzung der Mitlesenden interessieren, wie der kommende Kader aussehen soll.

  2. „Ich bin der festen Überzeugung, dass kein Trainer der Welt das Spiel Schalkes in der kurzen Zeit deutlich positiver hätte gestalten können…“

    Und selbst wenn hätte das auch nichts gebracht. Dieser Trainerwechsel war zu diesem Zeitpunkt völlig sinnlos, da er zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem Schalkes Saison schon gelaufen war. Als Tedesco ging hatte Schalke 23 Punkte-selbst das hätte für den Klassenerhalt wahrscheinlich schon gereicht (wäre Relegationsplatz in der Endabrechnung…aber in der Relegation hat sich in den letzten sechs Jahren immer der Erstligist durchgesetzt). Angesichts des Restprogramms und der Form beider Teams war klar, dass Stuttgart auch nicht mehr ernsthaft rankommt. Stevens Mission war eine, auf der er nichts gewinnen, aber eigentlich auch nichts verlieren konnte. Aus den Pokalwettbewerben war Schalke schon rausgeflogen, in der Bundesliga ohne Chance auf die europäischen Plätze, aber auch mit nur noch sehr theoretischer Abstiegsgefahr. Folglich auch kein Wunder, dass es ruhiger wurde. Unruhe kann eigentlich nur aufkommen, wenns um was geht. Wo es um nix mehr geht gibts auch keine Unruhe.
    Der Trainerwechsel aber war entweder falsch oder erfolgte zu spät. Wenn man (wie ich) der Meinung ist, dass die Krise wenig bis nichts mit Tedesco zu tun hat war die Entlassung ein Fehler, weil so zwei Trainerteams bezahlt werden mussten und man wieder die Baustelle der Trainerposition hat. Wenn man aber der Meinung ist, dass doch ein nicht vernachlässigbarer Teil der Krise an Tedesco lag erfolgte die Entlassung viel zu spät und hätte spätestens in der Winterpause passieren müssen, als es noch eine Möglichkeit zur Korrektur gab.

    1. Ich fand den Trainerwechsel sinnvoll. Gleichwohl ich mir davon keine spielerische Entwicklung versprochen habe, sondern ausschließlich die Sicherung des Klassenerhalt. Wenn ich die Statements von Spielern lese, scheint das Trainer-Trio das Team stabilisiert und strukturiert zu haben. Tedesco hatte scheinbar Teile der Mannschaft verloren. Da scheint viel Chaos im Mannschaftsgefüge geherrscht zu haben. Die Drei haben Stabilität reingebracht.

  3. Hallo Karsten! Vielen Dank für die umfangreiche Taktikanalyse.
    Es ist ja auch ein Taktikblog, und es ist ja auch Tedescos Stärke, die Taktik. Aber Fußball besteht ja nicht ausschließlich aus Taktik.
    Ich denke, Tedesco hat aber bei den anderen Anforderungen an einen modernen Trainer extreme Defizite. Im Interview mit dazn und bei der Vorstellung seines Buches nennt Elgert folgende Punkte:
    Technik, Taktik, Kondition, Förderung der mentalen Einstellung,
    Förderung der Teamfähigkeit. Elgert nimmt da nur ganz allgemein Stellung, es gibt keinen Bezug zu Tedesco. Trotzdem scheint mir das
    Interview auf YouTube interessant. https://www.youtube.com/watch?v=IzIf_hGTf44
    Ich finde Tedesco übrigens auch total sympathisch, denke aber, er wäre als Assistenztrainer im Moment noch besser aufgehoben, vor allem auch für sich selbst.

  4. Sorry, noch was vergessen. Der Defensivfußball bei Schalke zieht sich
    ja schon länger hin über di Matteo und Breitenreiter und Weinzierl bis
    Tedesco. Das eigentliche Problem darin scheint mir zu sein, dass die wirklichen Stärken Schalkes damit weniger Wert haben.
    Zum einen die Jugendarbeit mit vielen sehr kreativen Talenten und zum anderen die Begeisterungsfähigkeit des Publikums.

  5. schöne Zusammenfassung einer unschönen Saison. Dein Fazit hinsichtlich des Defensivfußballs trifft es ziemlich auf den Punkt. Gerade wenn man sich anschaut in welche Richtung sich die Liga im Allgemeinen in dieser Saison entwickelt hat.

    Viele Teams haben offensiv mehrere Schritte nach vorne gemacht. In der letzten Saison gab es vielleicht 2-3 Teams, welche wirklich wussten mit dem Ball was anzufangen. Diese Saison sah das schon ganz anders aus. Diese Entwicklung haben wir leider verschlafen.

    Von daher hoffe ich, dass sich bei uns in dieser Hinsicht nun auch endlich etwas tut. Inwiefern Wagner dafür der richtige Trainer ist, wird man sehen. Auch bezüglich des Kaders sind Fragen zu stellen. In den Saisons zuvor haben wir offensiv jetzt auch nicht unbedingt mit ideenreichem Offensivspiel brilliert, aber hatten teilweise Offensivspieler von hoher individueller Qualität, welche den Unterschied gemacht haben (Farfan, Draxler, Sané) und diese Probleme kaschiert haben. Diese gehen uns im Moment auch komplett ab.

    Harit wäre so jemand, der uns letzte Saison dahingehend bereits enorm geholfen hat (wenn auch nicht unbedingt mit direkten Torbeteiligungen) und den wir in dieser Saison in dieser Form wirklich schmerzlich vermisst haben.

    Alles in allem beneide ich Wagner nicht wirklich um den Job. Er hat einiges an Arbeit vor sich. Aber so grauenvoll diese Saison auch war und so oft wie Schalke in den letzten Jahren gefühlt Neustarts angestoßen hat, freue ich mich doch schon wieder auf die nächste Saison inklusive deiner Einschätzungen. In diesem Sinne auch vielen Dank an dich + Team für die Analysen diese Saison!

  6. Hallo Karsten,
    vielen Dank für die sehr gute Analyse basierend auf nackten Statistiken und Zahlen. Ich denke die Zusammenfassung Deinerseits trifft auf unsere Saison sehr gut zu und lässt für die Zukunft durchaus hoffen.

    In Bezug auf den Trainerwechsel hast Du sicherlich ebenfalls recht und wir sind einer Meinung, dass er trotzdem sinnvoll war. Das erwartete ist dann auch eingetreten, eben kein Wunder und keine plötzliche Wiederauferstehung sondern schlichtweg Verwaltung der vielen Mängel und Probleme und Schaffung von Struktur. Die Ergebnisse der letzten Spiele waren dann auch einigermaßen in Ordnung (immerhin 4 Spiele nicht verloren). Offensiv war es aber wirklich megagrau. Das Spiel gegen Augsburg bspw. habe ich live mit einem Freund im Stadion gesehen und uns beide hat nicht gewundert, dass Augsburg in Wolfsburg fast zweistellig abgeschossen wurde. Diese Lücken haben sie auch schon bei uns präsentiert, aber uns fehlte im vorderen Drittel einfach zu viel um es zu nutzen. Der Hebel der da anzusetzen ist, ist leider recht groß…

    Generell scheint es im Fußball ähnlich wie im American Football einen Trend zu geben, der weggeht von dem „Defense wins Championsship“-Dogma. Man braucht heute schlichtweg ein funktionierendes Offensivkonzept um nicht zu ausrechenbar und einfach zu knacken zu sein. Da wäre vielleicht ein Seitenblick nach Bremen klug, dort hat man in der Hinsicht eine sinnvolle Mischung gefunden wie ich finde.

    Ich freue mich darauf auch in der neuen Saison Deine Kommentare zu lesen und dann hoffentlich über die Renaissance des Schalker Kreisels 🙂

    LG
    Basti

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