Zum vorletzten Heimspiel des Kalenderjahres 2019 empfing der FC Schalke die zuletzt schwächelnde Eintracht vom Main. Die Gäste, die sich unter der Woche trotz einer 2:3-Heimniederlage für das Sechzehntelfinale der Europa League qualifiziert hatten, kamen als schwächstes Auswärtsteam der Liga nach Gelsenkirchen und mussten unbedingt gewinnen, um die Spitzengruppe nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Auch auf Schalker gab es unter der Woche grund zu jubeln, da Leistungsträger Amine Harit seinen 2021 auslaufenden Vertrag vorzeitig bis 2024 verlängerte. Sportlich gesehen ging es für S04 in dieser Partie darum, sich in der Spitzengruppe weiter fest zu setzen und eine Reaktion auf die Niederlage in Leverkusen zu zeigen.

Die Startformationen

Personell nahm David Wagner im Vergleich zur 2:1-Niederlage bei Bayer Leverkusen eine Änderung vor: für den, mal wieder glücklosen Guido Burgstaller kam Rabbi Matondo zu seinem vierten Startelfeinsatz in dieser Saison. Zudem veränderte Wagner, seinerseits übrigens gebürtiger Frankfurter, die taktische Grundordnung: Weg vom 4-4-2 Raute, zurück zum 4-2-3-1. Matondo ordnete sich auf der linken Außenbahn ein, Benito Raman spielte, wie schon gegen Düsseldorf und Union als einzige Spitze und Caligiuri rückte von der rechten Halbposition wieder auf die rechte Außenbahn.

Bemerkenswert an der Schalker Startelf: Sieben der elf Spieler, also alle außer Caligiuri, Oczipka, Raman und Mascarell sind 23 oder jünger. Nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden McKennies (Gute Besserung an dieser Stelle) standen mit Miranda, Kabak und Matondo sogar drei 19-Jährige auf dem Platz. Mit einem Durchschnittsalter von 24,2 schickte Wagner damit die jüngste Schalker Startelf der Saison und die insgesamt drittjüngste Elf der laufenden Bundesligasaison auf den Rasen.

Auf der Gegenseite wechselte Gästetrainer Adi Hütter sechs Mal im Vergleich zum Europa League Spiel unter der Woche gegen Guimaraes. Unter Anderem überraschenderweise neu dabei der niederländische Sturm-Riese Bas Dost, der eigentlich für den Rest des Jahres ausfallen sollte. Die Grundordnung der Frankfurter war ein 3-4-2-1, wobei sich die Gäste hier sehr variabel zeigten.

Wagners 4-2-3-1

Sieht man sich die Offensivspieler der Schalker an und vergleicht sie mit den Defensivakteuren der Eintracht ist es naheliegend, dass Schalke, anders als es in Leverkusen der Ansatz war, nicht über Physis und lange Bälle zum Erfolg kommen wollte. Stattdessen galt es spielerisch Lösungen zu finden. Dies versuchte Schalke in den ersten 45 Minuten fast durchgehend, was die 62% Ballbesitzanteile bis zum Halbzeitpfiff belegen. Schalke baute das Spiel, wie gewohnt in einer Dreierkette auf. Mascarell kippt zwischen die sehr breit aufgestellten Innenverteidiger ab, Kenny und Oczipka (ab der 13. Minute Miranda) standen gewohnt hoch, Serdar positionierte sich zentral vor der Dreierkette und bekam oft Unterstützung von Harit, der wie immer völlige Freiheiten im System von David Wagner genoß. Interessant zu beobachten war auch eine Asymmetrie im Positionsspiel der Außenbahnspieler Caligiuri und Matondo. Caligiuri hielt relativ konsequent seine Position, driftete lediglich hin und wieder in die Halbspur um die Außenbahn für den hinterlaufenden Kenny zu öffnen. Auf der anderen Seite zog Matondo oft ins Zentrum um mit Harit und Serdar zu kombinieren oder spielte fast als hängende Spitze zu Raman. Dazu kommt, dass Caligiuri sich in der Regel von der gegnerischen Abseitslinie weitestgehend fernhielt, während Matondo permanent die Tiefe suchte, was jedoch aufgrund des Geschwindigkeitsunterschiedes der beiden nicht verwunderlich ist.

Gegen den Ball spielte Schalke so, wie man es gewohnt ist. Ist der Ball weg, soll er möglichst schnell wieder her. Und dies gelang auch gegen Frankfurt recht gut. Die Handschrift von David Wagner ist immer deutlicher zu erkennen.

Hütters 3-4-2-1 

Dem stellte Frankfurt, wie bereits erwähnt, ein sehr variables 3-4-2-1 entgegen. Dost und die beiden Zehner, Rode und Gacinovic, stellten die drei Schalker Aufbauspieler, vor allem mit der Intention das Zentrum zu schließen, in dem sie die Passwege zu Schalkes Kreativzentrale um Serdar und Harit schlossen. Dies wurde durch die beiden Sechser Torro und Sow noch verstärkt, die situativ vor allem Serdar deckten. Jedoch beließen die Gäste es hier in der Regel beim Zustellen, weswegen Frankfurt in Durchgang ein über weite Strecken sehr passiv wirkte. Wirklich gepresst hat die Eintracht nur, wenn Schalke den Ball in der eigenen Hälfte auf der Außenbahn hatte. Dann versuchte Frankfurt die jeweilige Außenbahn zu überladen in dem der ballferne Zehner mit auf die Seite schob um den Passweg in die Mitte zu schließen. Alles in allem hat Adi Hütter in der Theorie einen hervorragenden Job bei der Einstellung seiner Mannschaft auf Schalke gemacht. In der Praxis hatte seine Mannschaft in der ersten Hälfte dennoch enorme Probleme in das Spiel zu finden. 

Dominante Schalker in Halbzeit eins

Die erste Hälfte ging rein optisch klar an die Hausherren. Über weite Strecken der ersten 45 Minuten dominierte Schalke die Partie, jedoch ohne wirklichen Ertrag. Drei nennenswerte Abschlüsse hatte Schalke vor der Pause, einen Fernschuss von Serdar, einen Schuss von Kabak nach Farfán-Gedächtnis-Solo und einen von Raman, nach toller Kombination über Mascarell, Caligiuri, Matondo und Harit. Ansonsten fehlte Schalke im letzten Drittel oft die Idee und die Zielstrebigkeit. Dennoch war das spielerische Niveau das Schalke an den Tag legte enorm hoch. Immer wieder konnte sich die Mannschaft aus dem guten Frankfurter Pressing befreien, lange Bälle waren eher die Ausnahme und wenn lang geschlagen wurde, dann wirkte es kontrolliert und gezielt (was in Leverkusen noch etwas anders aussah). Vor allem Kabak fiel hier sehr durch seine, für einen 19-Jährigen außergewöhnliche Ruhe am Ball auf. Diese spielerische Stärke Schalkes, die komplett durchgewürfelte Frankfurter Startelf und die 28 Pflichtspiele, die die Gäste in der bisherigen Saison schon in den Beinen haben (Zum Vergleich: Schalke stand vor dem Spiel bei 16) waren ausschlaggebend dafür warum auf der anderen Seite die Eintracht enorme Probleme in der ersten Halbzeit hatte. Erst in den letzten fünf bis zehn Minuten vor der Pause bekamen die Gäste einen Fuß in die Tür. 

Zweite Hälfte vor dem Platzverweis

Nach dem Seitenwechsel merkte man den Gästen an, dass sie aktiver und mutiger sein wollten, als sie es in Durchgang eins waren. So kamen sie unmittelbar nach der Pause zur ein oder anderen guten Umschaltsituation, waren griffiger in den Zweikämpfen und bekamen mehr Zugriff auf die Partie. Was den Schalkern sichtlich entgegen kam, da sich so mehr Räume und Umschaltsituationen ergaben. So zum Beispiel in der 53. Spielminuten beim 1:0 durch (mal wieder) Benito Raman. Vorbereitet wurde das Ganze (mal wieder) von Amine Harit und dem (mal wieder) sehr starken Omar Mascarell, der einen Fehler von Almamy Toure ausnutzte und dann schnell umschaltete. Ein typisches Schalke Tor. Benito Raman traf damit übrigens in 4 Bundesligaspielen in Serie, der letzte Schalker dem das gelang war ein gewisser Klaas-Jan Huntelaar. Im Anschluss an den Treffer war das Spiel zerfahren, Schalke hatte ein paar Konter, Frankfurt ein paar Standards, wirklich gefährlich wurde es aber nicht. 

Schalke in Unterzahl – ein Novum unter Wagner

In der 67. Minute kam es zu dem sicherlich markantesten Ereignis des Spiels. Nach einen langen Ball von Kostic auf Gacinovic verschätzte Alexander Nübel sich komplett und flog 35m vor dem eigenen Tor als letzter Mann mit gestrecktem Bein in die Brust von Mijat Gacinovic – eine der klarsten roten Karten der jüngeren Bundesligageschichte. Mijat Gacinovic konnte nach diesem Zusammenprall nicht weiter spielen, hat sich bei der Aktion aber glücklicherweise nicht schwerwiegender verletzt (auch an dieser Stelle gute Besserung). Für Alexander Nübel ist es im 41. Bundesligaspiel bereits der 2. Platzverweis, nachdem er zuvor schon im Februar gegen Gladbach des Feldes verwiesen wurde. 

Somit ergab sich für Schalke und David Wagner ein absolutes Novum – erstmals in Wagners Amtszeit musste Schalke in Unterzahl agieren. Die letzte rote Karte gegen einen Schalker gab es in der Vorsaison, ebenfalls gegen Eintracht Frankfurt, als Suat Serdar bei der 1:2-Heimniederlage die Ampelkarte sah.

Anders als sein Vorgänger Tedesco, der bei Unterzahl sich oft von seiner kreativen Seite zeigte, entschied Wagner sich ganz klassisch für ein 4-4-1 und opferte mit Harit den Zehner für Ersatztorwart Markus Schubert. Dieses 4-4-1 wurde nach der Einwechslung von Burgstaller zu einem 4-5-0 und situativ zu einem 5-4-0, da Burgstaller gegen den Ball nicht vorne blieb sondern mit den eigenen Strafraum verteidigte und Mascarell immer mehr als echter dritter Innenverteidiger spielte, da Frankfurt logischerweise mit zunehmender Spieldauer immer offensiver wurde. Am Ende hatten die Gäste mit Dost, Paciencia, Hinteregger, Kamada und Torro gleich fünf Spieler, die fast dauerhaft im 10er oder 9er Raum unterwegs waren und es wurde eine Flanke nach der anderen (insgesamt 26 Flanken der Frankfurter in Durchgang zwei) in die Schalker Box geschlagen. Das Schalker Bollwerk, und um „Abwehrchef“ Burgstaller hielt am Ende jedoch Stand und man konnte zudem immer wieder durch Konter, Standards oder Eckfahnentänzchen auch für Entlastung sorgen. Einmal hatte Königsblau jedoch Glück, da sich der Kölner Keller nach einem Foul von Kabak an Dost nicht meldete. Hier hätte man sich nicht über einen Elfmeterpfiff beschweren können. Am Ende blieb es beim 1:0, weil Schalke in Unterzahl gegen fünf Frankfurter Mittelstürmer so gut wie nichts zuließ. Lediglich der eingewechselte Erik Durm schaffte es Markus Schubert zu prüfen. Frankfurt fehlte hinten raus die Durchschlagskraft, was sicherlich auch auf den Kräfteverschleiß der letzten Wochen und Monate zurück zu führen ist. Schalke agierte clever und souverän und ließ sich weder durch die frühe Verletzung von Weston McKennie noch durch den Platzverweis aus der Ruhe bringen. 

Fazit

Nach 15 Spielen steht der FC Schalke in der Tabelle auf Rang 4 und das sogar vor dem Rekordmeister aus München. Aber nicht nur die Ergebnisse stimmen, sondern auch die Art und Weise wie Schalke diese einfährt wirkt nach der katastrophalen Vorsaison fast schon surreal. Schaut man sich beispielsweise das letzte Gastspiel der Frankfurter Eintracht in Gelsenkirchen an, ist es nur schwer zu begreifen, dass das bis auf ein paar wenige Spieler dieselbe Mannschaft ist. Man kann Wagner gar nicht oft genug dafür loben, was er innerhalb kürzester Zeit aus dieser Mannschaft gemacht hat. Am Mittwoch geht es nach Niedersachsen zum VfL Wolfsburg, für die es, ähnlich wie Frankfurt, darum geht den Anschluss nach oben nicht zu verlieren. Mit einem Last-Minute-Sieg gegen den nun ehemaligen Tabellenführer Borussia Mönchengladbach im Rücken werden die Wölfe also sicherlich mit breiter Brust auftreten. Keine leichte Aufgabe für S04. 

Abschließend noch ein Wort zu Nübel, Schubert und ein Sonderlob:

Da diese Analyse erst am Dienstag online kommt, ist bereits bekannt, dass Schalke vier Spiele lang auf seinen Kapitän verzichten muss. Damit ist das Fußballjahr für Nübel beendet. Nimmt man seinen Patzer beim ersten Gegentor in Leverkusen noch dazu, ergibt das ein sehr unrühmliches Ende für sein für ihn persönlich doch sehr erfolgreichen Fußballjahres. Sein Ersatz Markus Schubert darf sich also nun auf Einsätze gegen unter Anderem Gladbach und Bayern München freuen, während Alex Nübel nun Zeit hat eine Entscheidung bezüglich seiner Zukunft zu treffen. (Ab dem 1. Januar dürfte Nübel bekanntlich offiziell mit anderen Vereinen in Kontakt treten.) Es bleibt also weiterhin spannend zu beobachten, welche Wendungen das Drama rund um Schalkes Torhüterposition noch nehmen wird. So oder so hat Schalke mit Nübel, Schubert und auch Ralf Fährmann drei hervorragende Torhüter unter Vertrag, weswegen man sich hier langfristig, unabhängig von Nübels Entscheidung, wenig Sorgen machen muss.

Deutlich mehr Sorgen bereitet Schalke derzeit die inzwischen kuriose Verletzungsseuche auf der Innenverteidigerposition. Nun hat es auch noch Weston McKennie erwischt, der aufgrund einer Schulterverletzung ebenfalls einige Wochen ausfallen wird. Bastian Oczipka rückte gegen Frankfurt für ihn in die Innenverteidigung und bildete mit Ozan Kabak das bereits sechste Schalker Innenverteidigerpärchen der laufenden Saison. Oczipka löste diese Aufgabe mit Bravour, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gemacht. Grundsätzlich spielt der 30-Jährige eine sehr starke Saison. Er ist inzwischen der einzige Schalker, der bisher noch keine Pflichtspielminute verpasst hat und ist, noch vor Harit, der Spieler, der die meisten „wichtigen Pässe“ spielt (1,9 pro Spiel). Nach dem im Sommer die Rufe nach einem neuen Linksverteidiger immer lauter wurden, sammelt Oczipka seit dem immer mehr Argumente für eine Verlängerung seines im kommenden Sommer auslaufenden Vertrages. Ob er gegen Wolfsburg und Freiburg wieder in der Innenverteidigung ran muss, ist noch unklar, da es bei Matija Nastasić noch Hoffnung auf einen Einsatz gibt. Aber egal ob er links oder zentral in der Kette ran muss, man kann davon ausgehen, dass er seine Sache gewohnt souverän machen wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert