Der Halbfeldflanke & Friends Adventskalender 2020 zu unseren Lieblings-Schalkern. Heute mit Marcelo Bordon von Lukas Elkemann.

Es gibt so Tage im Leben, da will man am liebsten gar nicht aufstehen, weil man genau weiß, was einen beruflich so erwartet. Bundesligastürmer hatten zwischen 2004 und 2010 bestimmt viele solcher Momente. Zweimal im Jahr wartete Schalke, zweimal im Jahr wartete Marcelo Bordon.

Gute Verteidiger gab es auf Schalke reichlich. Zweikampfstark und clever waren viele. Jeder von ihnen hat seine Zeit geprägt und bleibende Erinnerungen hinterlassen, doch Bordon war besonders. Er kombinierte seine spielerische Klasse als Abwehrspieler mit einem Siegeswillen und Ehrgeiz, der einem fast unheimlich sein konnte.

Selten habe ich einen Fußballer gesehen, der besser für die Rolle des Leaders geeignet war. Solange Bordon noch an den Erfolg glaubte, glaubte die Mannschaft noch daran. Und solange die Mannschaft noch an den Erfolg glaubte, war noch alles drin. 

Leider braucht es manchmal seine Zeit, bis man Spieler richtig wertschätzen kann. Besonders wenn sie nicht die typischen Knipser oder Vorlagengeber sind, bleiben sie oft im Hintergrund. Für ein Kind wie mich, das damals am Samstag meist vor Videotext und Radio hockte, war Bordon deshalb lange nur einer von vielen. Das änderte sich eines Nachmittags im großelterlichen Wohnzimmer. 

Freiburg, Mai 2005. Oder besser: Kleinstadt im Münsterland, Mai 2005. Freiburg lief im Fernseher. Opa hatte passend zum Schalker Saisonfinale gegen den SC ein Abo abgeschlossen und uns (meinen Bruder, unseren Vater und mich) eingeladen. Die Zeiten waren vorbei, in denen wir die längere Rückfahrt so genau planen mussten, dass wir die ganze WDR2-Konferenz hören konnten und zugleich auch rechtzeitig zur Sportschau zu Hause waren.

An diesem Tag im Mai 2005 begann nicht nur die lange andauernde (und dennoch leider viel zu kurze) Tradition des gemeinsamen Schalke-Guckens mit Oppa, es war auch der erste Tag, an dem ich Marcelo Bordon so richtig auf dem Schirm hatte. 

Ich, gerade elf Jahre alt geworden, kniete damals knapp zwei Meter vor dem Fernseher. Gefühlt rückte ich mit jeder verstreichenden Minute noch näher an den Bildschirm heran. Irgendwie musste man diese Vizemeisterschaft und die direkte Qualifikation für die Champions League doch packen können.

Zweimal geführt, zweimal glichen die Freiburger wieder aus. So ging es mit 2:2 bis tief in die Schlussphase hinein. Und dann kam Bordon: Flanke Lincoln, Kopfball, Aufsetzer, Vizemeister. Großer Jubel im münsterländischen Wohnzimmer. Der erste von vielen.

Der Sieg-Kopfball in Freiburg war sicherlich kein Kandidat für das „Tor des Monats“, allerdings waren das seine Pflichtspieltreffer selten. Dort waren Kopfbälle für ihn die Waffe der Wahl. In Testspielen sah das allerdings anders aus: Sein Seitfallzieher gegen Zenit St. Petersburg brachte Bordon im Januar 2007 zurecht die Tor-des-Monats-Medaille ein. Er konnte es also „brasilianisch“. Warum dann nicht auch in der Bundesliga? 

Meine Vermutung ist: Er wollte es nicht. Ich erlebte Marcelo Bordon immer als einen Spieler, dem das Team wichtiger war als die persönliche Statistik oder Auszeichnungen in der Sportschau. Für Traumtore und Übersteiger waren andere zuständig, nicht er.

Bordon wurde hauptsächlich für seine Defensivqualitäten und das gelegentliche Kopfballtor gebraucht. Konsequent und gewissenhaft erfüllte er genau die Funktionen, die seine Vorderleute von ihm erwarteten und gab ihnen dadurch die Sicherheit, das Spiel vorne zu entscheiden.

Mittlerweile versuche ich Spieler nicht mehr nur danach zu beurteilen, wie gut ihre Statistiken sind. Ihr wahrer Wert für eine Mannschaft und die Qualität ihrer Leistungen sind nicht immer nur an bloßen Zahlen erkennbar. Ausstrahlung und Siegeswille sind nicht messbar. Wenn jemand dennoch alles in sich kombiniert, dann wird er zurecht Lieblingsschalker. 

Adventskalender 2020:
Lieblings-Schalker von Halbfeldflanke & Friends.

Geschrieben von Lukas Elkemann

Lukas kommt aus dem Grenzgebiet zwischen Geißbock und Bayerwerk, hat aber von seinem Vater Königsblaue Gene geerbt. Seitdem hält er in der Domstadt am Rhein die Schalker Fahne hoch. Unter der Woche ist er Free Agent im Sportjournalismus und der Öffentlichkeitsarbeit. Online könnt ihr ihn auf Twitter (@strafraumeck) und Instagram (@strafraumeck) finden.

Der Halbfeldflanke & Friends Adventskalender 2020: Lieblings-Schalker

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