Der Halbfeldflanke & Friends Adventskalender 2020 zu unseren Lieblings-Schalkern. Heute mit Christian Poulsen von Constantin Eckner.
Anfang der 2000er Jahre formierte sich in Europa eine Gruppe von zentralen Mittelfeldspielern, die von der Allgemeinheit noch als „Zerstörer“ angesehen wurden, aber in Wahrheit bei weitem mehr als das waren. Angeführt wurde diese Gruppe von Claude Makélélé, dem intelligenten Arbeitstier von Real Madrid und Chelsea. Ein Schalker gehörte dem illustren Kreis auch an: Christian Poulsen.
Der Däne verbrachte „nur“ vier Spielzeiten auf Schalke, hinterließ aber zumindest bei mir als jungen Beobachter einen bleibenden Eindruck. Poulsen wäre damals nach einem starken Auftritt mit dem FC Kopenhagen gegen Borussia Dortmund beinahe beim BVB gelandet. Der Transfer platzte am Ende, weil die Borussen die Ablösesumme nicht zahlen wollten. In einer leicht kuriosen Wende der Ereignisse landete Poulsen bei Königsblau und entpuppte sich rasch als Glücksgriff.
Es gab in jener Zeit – wir sprechen über die Jahre 2002 bis 2006 – einige hochtalentierte Spieler vom Schlage Poulsens. Es waren Spieler, die durch ihre kompromisslose Verteidigungsweise, ihre Ausdauer und insgesamt ihre Defensivqualitäten auffielen. Allerdings unterschieden sie sich doch deutlich von den raubeinigen Abräumern der 1980er und auch 1990er Jahre. Die Makélélés und wenig später auch Carricks waren hochintelligente Sechser, die ein Spiel besser lesen konnten als viele Mittelfeldspieler, welche aufgrund ihres mangelnden Verständnisses weiterhin zur Blutgrätsche greifen mussten.
Zu dieser Kategorie zähle ich Poulsen auch deshalb, weil sein Ruf immer der eines harten und kompromisslosen Arbeiters war. Das mag in gewisser Weise auch stimmen und war gewiss auch durch die äußerliche Erscheinung des Dänen wie auch die recht puristische Ästhetik seines Spiels geschuldet, erzählt aber eben nicht die gesamte Geschichte.
Poulsen war ein Läufertyp, der stets wusste, wie er wohin laufen musste. Er rannte sich nicht kopflos in den roten Bereich. Darüber hinaus war er der Prototyp dessen, was wir heute als Umschaltsechser kennen – also ein Spieler, der nach der oftmals selbst initiierten Balleroberung den Gegenstoß sofort voranbringen konnte. Poulsen war keiner, der aus Zweifel an den eigenen technischen Qualitäten den Ball lieber umgehend dem nächsten beschlagenen Spielgestalter ängstlich überließ. Er verstand sich selbst als einen gewiss etwas limitierten, aber kompetenten Spielgestalter.
Noch konnte ich das als junger Beobachter der damaligen Bundesliga nur bedingt erkennen, bin aber im Rückblick von der Brillanz und gleichzeitigen Schlichtheit des Poulsen’schen Spiels begeistert. Es mag an dieser Stelle nicht überraschen, dass ich mit Johann Vogel einen weiteren Lieblingsspieler in den 2000ern hatte, der ähnlich schlicht und zugleich erfolgsstabil agierte.
Vogel wurde damals aufgrund seiner Nationalität als „Schweizer Uhrwerk“ bezeichnet. Ein solches Label war Poulsen wohl aufgrund der mangelnden Virtuosität der Dänen in einem Präzisionshandwerk nicht vergönnt. Aber mangelndes Marketing war in gewisser Weise ein Markenzeichen Poulsens. Er war einer der besten Schalker Spieler dieses bestimmten Jahrzehnts und ein 25-jähriger Poulsen würde der Mannschaft auch heute – oder gerade heute – noch gut zu Gesicht stehen.
Dass die Zusammenarbeit nach vier Jahren beendet wurde, entpuppte sich für keine Seite als absolut optimale Entscheidung – nicht, dass Schalke aufgrund des auslaufenden Vertrags viel dagegen unternehmen konnte. Poulsen verbrachte noch zwei sehr gute Jahre beim FC Sevilla und zwei zufriedenstellende Jahre in Turin, bevor er langsam von der großen Bühne verschwand.
Schalke hatte schon einen Sommer vor Poulsens unvermeidlichen Abgang Fabian Ernst und Zlatan Bajramović verpflichtet, die bei aller Wertschätzung nicht Christian Poulsen waren…
Adventskalender 2020:
Lieblings-Schalker von Halbfeldflanke & Friends.
Geschrieben von Constantin Eckner
Constantin ist freier Journalist und arbeitet u.a. für die BBC, The Times, ZEIT Online und Sport1.de. Darüber hinaus ist er Autor bei Spielverlagerung und dort für die internationale Seite zuständig. Ihr findet ihn bei Twitter (@cc_eckner) und auf seinem YouTube-Kanal.