Der Halbfeldflanke & Friends Adventskalender 2020 zu unseren Lieblings-Schalkern. Heute mit Atsuto Uchida von Max Schuhmacher.

Als Atsuto Uchida (内田 篤人) zum FC Schalke 04 wechselte, dachte ich erst an einen Marketing-Move. “Hey, wir wollen in den asiatischen Markt, schau doch mal ob wir nicht ‘nen Spieler von da bekommen können… Wie, ein Rechtsverteidiger? Klasse, wir haben doch grad diesen Rafinha verscherbelt, da brauchen wir noch ‘n Ersatz, bring mit!”. 

Wahrscheinlich stimmt das ein Stück weit auch, das Schalker Scouting ist für so eine Qualität ja leider doch schon ein Stück weit bekannt. Man bekam jedoch nicht nur einfach ein Marketinginstrument, sondern tatsächlich einen guten Rechtsverteidiger, Publikumsliebling, Vorbild und eventuell ein Stück weit einen Kulturbotschafter.

Uchida war für mich immer besonders. Zum einen kommt er aus einer Kultur, die uns kaum ferner sein könnte, allein schon räumlich. So ein Direktflug nach Japan allein dauert etwa 11 Stunden. Zum anderen verkörpert er aber trotzdem genau die Werte, die besonders hier im Ruhrpott immer wieder gepredigt und gelebt werden (sollten): voller Einsatz, keine persönlichen Eitelkeiten, immer das Ziel des Teams vorangestellt.

Dazu kommt auch, dass ich mich, schon bevor Uchida kam, für Japan interessierte. Als Kind war eine meiner Lieblingsserien, die ich Nachmittags nach der Schule geschaut habe, der Anime “Kickers”, eine Serie über eine Fußball-Schulmannschaft, die zunächst nicht einen Blumentopf gewinnen kann, mit hartem Training, Einsatz und Zusammenhalt aber später auch den Besten die Stirn bietet.

Da kommt also der Japaner, dessen Fußballausbildung und Kindheit möglicherweise ein Stück so ablief wie meine damalige Lieblingsserie, zu meinem Lieblingsclub; natürlich war ich sofort Fan.

Etwas undankbar für den Jungen eigentlich, dass er direkt in die Fußstapfen von Rafinha treten musste, der kurz zuvor von Magath ausgebootet und lieber schnell als ordentlich nach Genua verkauft wurde. Wie auch sein Vorgänger musste er im Schalker Spiel dann eine Art Spielmacher Rolle hinten rechts auszufüllen, der Spielaufbau lief fast ausschließlich über ihn. 

Das klappte nicht immer so optimal wie noch mit Rafinha, insbesondere auch weil Uchida eine Marotte hatte: Immer wenn er hinten den Ball bekam, erst einmal stoppen, den Fuß auf den Ball, Überblick verschaffen, dann gings weiter. Spätestens unter Breitenreiter und Weinzierl war das ein Problem, da immer mehr auf schnelle Konter und Umschaltspiel im allgemeinen gesetzt wurde. Das, und seine späteren Verletzungen, die ihm offenbar immer weiter zu schaffen machten, besiegelten leider sein sportliches Aus auf Schalke.

Aber ich kann hier nicht zu negativ sein, wie ihm wohl auch nie jemand wirklich böse sein konnte, denn Uchida hat ohne Zweifel immer 100% gegeben. Seine Leistung war immer auf einem konstanten, guten Niveau. Und wenn er in der Schlussphase mal stehend K.O. noch ein zwei Sekunden länger den Schlappen auf dem Ball hatte bevor er wieder zum Lauf an setzte, wusste man auch warum, hatte er sich ja zuvor immer komplett in den Dienst des Teams gestellt.

Absolut unvergessen ist für mich auch sein Tor in der Champions League gegen Bukarest: eine Flanke, die niemand mehr erreicht und einfach so ins Tor fällt. Uchida danach: peinlich berührtes Grinsen, Gesten der Entschuldiung an seine Mit- und Gegenspieler. Es war ihm sichtlich unangenehm, nicht nur wie das Tor entstanden war, sondern auch, dass er es war, der nun im Mittelpunkt stand. Lieber wäre es ihm gewesen, das Tor wäre zusammen erarbeitet worden, oder jemand hätte noch abgestaubt. Hauptsache, er findet raus aus dem Rampenlicht und jemand anderes, oder zumindest das Team als ganzes, könnte glänzen.

Und da sind wir wieder bei dem Punkt, den das ferne Japan und den uns heimischen Ruhrpott kulturell verbindet: das gemeinsame Anpacken. Hier ist es selbstverständlich sich auf der Arbeit voll rein zu hängen, weil es eben asozial ist, wenn der Kollege dann am Ende mehr Arbeit auf der Schippe hat. In Japan ist es eine absolut tief verwurzelte Selbstverständlichkeit, das Wohl Aller über das eigene Wohl zu stellen, das durfte ich bei meinem Besuch im letzten Jahr in Tokio selbst erfahren.

Zugegeben, diese Dogmen des Helfens hierzulande und in Japan sind auf völlig unterschiedlichen Wegen entstanden und haben eigentlich auch gar nichts miteinander zu tun. Aber das Ergebnis ist, dass hier wie dort einander geholfen wird, dass sowohl auf Schalke wie auch in Japan das gemeinsame Ziel über dem individuellen steht. Das hat Uchida verkörpert wie kein Zweiter.

Und deshalb habe ich Uchida ganz besonders lieb gewonnen. Nicht nur, weil er sportlich gut war, oder weil er sich immer rein gehangen hat. Sondern weil er für mich wie kaum ein anderer dafür steht, dass es tatsächlich egal ist “wo du wech kommst”, dass die Unterschiede dann in den Hintergrund rücken wenn man sich auf die Gemeinsamkeiten konzentriert und man ein gemeinsames Ziel hat.

Adventskalender 2020:
Lieblings-Schalker von Halbfeldflanke & Friends.

Geschrieben von Max Schuhmacher

Max war schon Halbfeldflanke Fan bevor es cool war. Nachdem er sich zuvor schon in dem einen oder anderen Blog austobte, rief er 2018 zusammen mit Karsten den Halbfeldflanke Podcast ins Leben und ist seitdem dort regelmäßig zu hören. Auf Twitter treibt Max sich als @eppinghovener herum.

Der Halbfeldflanke & Friends Adventskalender 2020: Lieblings-Schalker

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