Der Halbfeldflanke & Friends Adventskalender 2020 zu unseren Lieblings-Schalkern. Heute mit Benjamin Stambouli von Philip Polster.

Zwei Dinge vorweg: Sein vollständiger Name lautet Benjamin Fernand Lucien Francois Stambouli. Und er ist nicht mein Lieblingsspieler auf Schalke. Ich habe momentan nämlich Keinen. Der Letzte, den ich in diese Kategorie gezählt hätte, war Weston McKennie. Zu dem hätte ich aber nicht viel schreiben können.

Das ist bei Stambouli anders, zu dem habe ich eine Menge Anekdoten parat, der hat mindestens so viele verschiedene Facetten wie Vornamen. Nicht nur das, am Beispiel dieser Geschichten lässt sich wunderbar das Schalke der vergangenen Jahre begreiflich machen. Zumindest für mich. Also weniger Lieblingsspieler, sondern mehr Referenzpunkt inmitten ungewisser Schalker Zeiten.

Das Ding mit der A2

Angefangen hat das für mich mit einer der legendären Heidel-PKs. Zu einer Zeit, wo Schalke noch alle Kaderpositionen doppelt mit gestandenen Spielern zu besetzen vorhatte – für die damals gewöhnliche jährliche Dreifachbelastung – wurde ein aggressive leader im defensiven Mittelfeld gesucht.

Und Zwei verpflichtet und um keinem den Stempel „Plan B“ aufzudrücken, das wunderschön verschobene Bild von den Varianten A1 und A2 aufgemacht. Wobei es natürlich nie in Zweifel stand, dass Bentaleb – der talentiertere, jüngere und teurere, dem man den längeren Vertrag und die prestigeträchtigere Rückennummer gab – die klare erste Wahl war.

Am Ende der Saison spielten dann beide Stamm und Bentaleb meist eine Position weiter vorne. Es wäre zu viel zu behaupten, Stambouli hätte den Positionszweikampf gewonnen – Bentalebs spielerische Qualitäten waren schlicht offensiv mehr gefragt.

Aber klar ist, dass Stambouli derjenige war, der Schalke nachhaltiger prägen sollte. Als eine Erfolgsgeschichte.

Das Ding mit dem Derby

Auch für die folgende Vizemeistersaison war Stambouli ein prägender Bestandteil. Angefangen damit, dass er das erste Beispiel für die erfolgreichen Positionsumschulungen durch Tedesco war. Denn ab diesem Jahr stand er zumeist in der Innenverteidigung. Ab da war er Stabilitätsgarant für die Schalker Defensive.

So kam es auch, dass er das epischste Spiel der jüngeren Schalker Geschichte so sehr prägte, wie kein Anderer. (Und alle so: „Was?! Der?! Der ist mir gar nicht groß in Erinnerung geblieben…“) Aber tatsächlich, bei allen vier Gegentoren ist er essentiell beteiligt.

Beim 1-0 lässt er den Torschützen Aubameyang im Rücken einen Schritte weit entkommen und so fehlen ihm bei seiner Grätsche nur Millimeter um den Treffer zu verhindern. Das 2-0 erzielt er dann direkt selbst. Doch der gelaufene Tag ist noch nicht vorbei. Vorm 3-0 verliert er das entscheidende Laufduell auf dem Flügel, so dass Aubameyang ungehindert flanken kann und beim 4-0 landet der Ball aus seiner Grätsche direkt auf Guerreiros Fuß, statt zu klären wird er unfreiwilliger Vorlagengeber.

Und dann schlägt dieser Unglücksrabe mit einem 40-Meter-Ball über alle Dortmunder Feldspieler die direkte Vorlage zum 4-1. Was für eine Mentalität! Achja und beim 4-3 ist er dann ebenfalls als Vorlagengeber verzeichnet.

Und wenn diese und weitere enormen Leistungen auf dem Platz die Schalker Fans nicht vollends zu überzeugen wussten, so arbeitete er sich auch abseits des Spielfeldes in die Herzen der Anhänger. Beispielhaft dafür war sein Engagement beim Erlernen der deutschen Sprache.

Stambouli ließ einfach nie einen Zweifel daran, dass Schalke nicht bloß eine Zwischenstation ist.

Das Ding mit der Binde

Stambouli war Stammspieler und in den Mannschaftsrat aufgerückt. Und weil Naldo in der folgenden Saison nicht mehr gesetzt war, im Winter gar wechselte und Fährmann sich erst verletzte und später den sportlichen Zweikampf im Tor verlor, führte Stambouli Schalke zwischenzeitlich sogar als Kapitän an.

Doch die Saison 18/19 war wenig rosig. Und so kam es am 24. Spieltag, dass Ultras nach der 0-4 Niederlage gegen Düsseldorf das Spielfeld betraten und dem Kapitän die Binde abnahmen. Der Leidtragende an diesem Tag war Stambouli. Wieder die zentrale Rolle im wichtigsten Ereignis der gesamten Saison.

Ich fand diese destruktive Aktion schon damals zum Kotzen. Vor allem weil es eine Demütigung für einen Spieler war, der zu den wenigen Erfolgsgaranten in diesem Jahr zählte. Seine persönliche Bilanz bis dahin war, betrachtet man die Umstände, überragend. Bei vier von sechs Siegen und vier von fünf Unentschieden zuvor stand er auf dem Platz. Von den 13 Niederlagen war er nur an dreien beteiligt. Ansonsten war er verletzt ausgefallen.

Und dieser Spieler war nun zum Sündenbock für die verkorkste Saison auserkoren worden. Lächerlich.

Das Ding mit den zehn Innenverteidigern

Ja, zehn. So viele verschiedene Spieler standen nämlich letzte Saison vorübergehend in der Innenverteidigung. Stambouli, Sané, Kabak, Nastasic, Becker, Todibo, Thiaw, Oczipka, McKennie und Mascarell. Die beste Bilanz von ihnen hatte natürlich Stambouli. Ehe er nach dem 9. Spieltag, dem Revierderby, bis zum Ende der Saison verletzt ausfiel.

Und er sollte nicht der Einzige bleiben, der Schalke lange fehlte. Außer Oczipka würde jeder auch nur annähernde zur Stammelf gehörende Feldspieler bei Schalke in dieser verheerenden Saison mehrere Wochen verletzt ausfallen.

Nach dieser zehnmonatigen Pflichtspielpause sollte Stambouli natürlich direkt zum Saisonstart wieder zu den Leistungsträgern aufrücken. Erwartungen, denen er nicht gerecht werden konnte. Auch weil sich Schalke in der Zeit ohne ihn weiter entwickelt hatte. Allerdings zum Schlechten. 16 sieglose Ligaspiele in Folge, der nur knapp abgewendete finanzielle Kollaps und die Abgänge in der Vereinsführung, sowie von einigen unersetzbaren Schlüsselspielern hatte das Jahr 2020 Schalke bis dahin beschert.

Und so fiel Stambouli, dessen Vertragsverlängerung im Sommer noch einer der wenigen Lichtblicke für viele Schalker war, aus der Stammelf. Und bei einigen Anhängern in Ungnade.

Welches Ding kommt als nächstes?

Ich hoffe, ich konnte euch näher bringen, warum Stambouli für mich eine so wichtige Rolle in meinem aktuellen Bild des FC Schalke 04 inne hat. Es lassen sich einfach so wunderschön viele, grundverschiedene Anekdoten über ihn schreiben. Und da hab ich mich nur auf seine Schalker Zeit begrenzt.

Vom Rest will ich nur eines kurz anschneiden: Er war Teil der letzten Überraschungsmeistermannschaft in Frankreich – Montpellier HSC. Vier Jahre später gewann er den Titel dann nochmal mit dem Serienmeister PSG. Und von diesen beiden Meisterjahren bekam er ausgerechnet in Paris mehr Einsatzzeiten. Er hat somit übrigens auch die meisten Titel von allen aktuellen Schalkespielern.

Jetzt bleibt nur die Frage, wie es weitergeht. Comeback-Qualitäten hat Stambouli ja schon mehrfach bewiesen. Ich persönlich wünsche mir, dass er auch die nächsten Jahre noch eine entscheidend prägende Figur auf Schalke bleibt. Und dass die hinzukommenden Anekdoten wieder positiver werden.

Eine Beteiligung an dem Tor, dass Schalke vor dem Tasmania-Berlin-Rekord bewahrt, wäre doch was…

Adventskalender 2020:
Lieblings-Schalker von Halbfeldflanke & Friends.

Geschrieben von Philip Polster

Philip schreibt seit etwas über einem Jahr bei Halbfeldflanke mit und schafft es dabei nur selten, sich kurz zu fassen. Außerhalb dessen ist er auch auf Twitter zu finden (@philippolster) und beim neuen Bundesliga-Newsletter Kehrwoche dabei. Dort dank Zeichen- bzw. Wortbegrenzung auch in kompakterer Form.

1 Reply to “Tor 6: Benjamin Stambouli

  1. „Ich persönlich wünsche mir, dass er auch die nächsten Jahre noch eine entscheidend prägende Figur auf Schalke bleibt. Und dass die hinzukommenden Anekdoten wieder positiver werden.“

    Dem schließe ich mich einfach mal an! Es wäre Benji – und natürlich auch unserem glorreichen S04 – zu wünschen! #BenjiLove <3 😉

    Sehr schöne Aufbereitung von Benjis bisheriger Zeit auf Schalke!

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