Nachdem man als Schalke-Fan mal wieder 8 Tage Zeit hatte, in denen man wieder mit etwas Optimismus auf den Abstiegskampf blicken konnte, folgte in Frankfurt abermals die große Ernüchterung. Die Gastgeber waren uns in nahezu allen Belangen überlegen. Davon, dass man die Hoffenheimer noch mit starker Mentalität niederkämpfte, war wieder wenig zu sehen. Am sprang eine hochverdiente 3:1-Niederlage heraus.
Dabei hatten doch alle gedacht, dass die mentale Hürde der 31 sieglosen Spiele nun endlich überwunden wäre.
Jetzt wird alles gut – von wegen!
Man hatte doch jetzt Kolasinac. Der konnte doch zuletzt den anderen Spielern nochmal kräftig in den Arsch treten und dafür sorgen, dass die Mannschaft gegen Hoffenheim endlich den Kampfgeist zeigte, den es im Abstiegskampf braucht. Und dann war doch noch Harit da, der jetzt endlich wieder zu seiner alten Form zurückkehren würde. Und wer weiß, was der neue Stürmer Matthew Hoppe alles noch zeigen würde.
Alle, die so oder so ähnlich gedacht haben, sei gesagt: Ich kann euch verstehen. Ich habe auch darauf gehofft. Doch leider war ich davon nicht überzeugt – und warum, hat sich am Sonntag leider wieder gezeigt.
Schalke hat kein Mentalitätsproblem! Das hat sich schon in der Hinrunde gezeigt. Ich gönne dieser Mannschaft wirklich vom Herzen, dass sie endlich wieder in Form kommt. Verdient haben sie es, für den Aufwand, den sie betreiben. Denn seit Jahren musste keine Schalker Mannschaft mehr so sehr leiden, wie diese!
Sicher gibt es mentale und psychologische Probleme, wenn man so lange sieglos geblieben ist. Egal wie viel man den Sieg will und sich vorher einschwört, dass man dieses Spiel wieder alles besser machen möchte: Wenn man auf dem Platz ist, reichen manchmal ein paar verpasste Zweikämpfe, ein paar unglückliche Fehlpässe oder ein paar Unaufmerksamkeiten und man ist wieder im alten ,,Zweifel-Trott‘‘ drin. An sich alles Kleinigkeiten, die aber in einer verunsicherten Mannschaft tiefe Spuren verursachen könne.
Mentalität und Psychologie
Auch in dieser Mannschaft ist das sichtbar. Manche Spiele starten vielversprechend (wie in Gladbach) und plötzlich – wie aus dem Nichts – verliert man wieder komplett den Faden.
Auch wenn man letzte Woche endlich wieder gewonnen hatte, war sicher den Allermeisten bewusst, dass dies noch nicht gereicht hat, um die 31 Spiele einfach abzuschütteln. Denn da ist etwas – zwischen den Ohren – was du nicht einfach abschütteln kannst.
Mentalität und Psychologie spielen auf Bundesliganiveau eine nicht zu verachtende Rolle, um Spiele zu gewinnen. Beide Fähigkeiten haben die Eigenschaft in guter Ausführung Leistung maximieren zu können. Man kann damit mehr aus einer Mannschaften herauszuholen, als eigentlich denkbar ist. Gerade im Abstiegskampf seien Mentalität und Psychologie die absoluten game changer!
Doch aktuell scheint es so, als würde man fast ausschließlich auf diese beiden Fähigkeiten setzen. Das ist meiner Meinung nach, aber ein großer Fehler! Wenn man nämlich nicht die Rahmenbedingungen schafft, um in einem Spiel auf Augenhöhe sein, dann kann man so viel kämpfen, wie man will. Am Ende entscheidet der Gegner, wer das Spiel gewinnt. Man kann mit dem für sich bestmöglichen mindset in ein Spiel gehen. Macht man dieselben Fehler wie die letzten Spiele, dann wirst du das Spiel trotzdem verlieren.
Unter dem taktischem Standard
Schalke gehört leider seit geraumer Zeit zu einer Gruppe von Mannschaften in der Bundesliga, die jeglichen taktischen Standard in der Bundesliga verpasst haben. Versteht mich nicht falsch: Auf dem Niveau gewinnt selbst die beste Taktik der Welt kein einziges Spiel! Es gibt immer Spieler auf dem Platz, die aus einer Unterzahlsituation eine vielversprechende Torchance einleiten. Nachher juckt es absolut keinen, dass alles an der Taktiktafel doch geklappt hat.
Umgekehrt aber formuliert, ist es jedoch deutlich passender: Wenn dein Gegenspieler ständig deutlich besser zum Ball steht als du, dann wird es für dich schwierig. Exakt das passiert Schalke über große Teile der Spiele. Und genauso auch am Sonntag in Frankfurt.
Zum Spiel
Gegenüber dem Pokalspiel gegen Leverkusen am Dienstag wechselte Frankfurt in seiner Startelf 4-mal durch. Für Tuta, Ilsanker, Rode und Kamada kamen Abraham, Sow, Hasebe und Kostic in die Mannschaft. Wir zuletzt üblich griffen sie auf eine 3-4-2-1-Grundordnung zurück. Bei Schalke gab es mit dem Wechsel von Schöpf zu Raman nur einen Wechsel. Ansonsten blieb alles gleich.
Gegen den Ball pendelten die Knappen zwischen einem 4-2-3-1 und einem 4-4-2, in welchem Uth entweder hängend hinter oder auf einer Höhe mit Hoppe verteidigte. Ziel war es wie so häufig, den Gegner in seinem Ballbesitz auf den Flügel zu lenken und dort zu isolieren. Dafür war es unabdingbar, dass das Mittelfeldzentrum geschlossen wird.
Dazu verteidigten Uth und Hoppe in der Ausgangsposition meist recht eng zueinander, so dass das Spiel auf Frankfurts Halbverteidiger gelenkt wurde. Dadurch, dass Durm oft recht tiefe Positionierungen fand, galt es für Harit stets abzuwägen, ob ein höheres Anlaufen von dem Frankfurter Halbverteidiger oder ein tieferes Verteidigen von Durm die bessere Lösung war. Dies mündete oft in Versuchen beides zu schaffen, was allerdings selten richtig gelang, wobei es hier falsch wäre die Schuld bei Harit zu suchen.
Probleme im Zentrum
Denn die Probleme lagen woanders. Frankfurts Zehner Younes und Barkok taten nämlich mit ihren Bewegungen Schalkes Defensivblock ordentlich weh. Dadurch, dass sie sich nämlich oft in dem Dreieck zwischen Schalkes Sechsern, Außenverteidigern und Innenverteidigern aufhielten, schafften sie es zusammen mit André Silva sowohl Schalkes Viererkette als auch Schalkes Zentrum in der Tiefe zu binden.
Das große Problem lag vor allem darin, dass so Schalkes Sechser Kontakt zu Frankfurts Sechser verloren. Das führte dazu, dass gerade Raman, aber auch Harit als ballferne Flügelstürmer extrem weit einrücken mussten, um irgendwie Balldruck auf das Zentrum ausüben zu können.
Um zurück auf das ursprüngliche Harit-Abraham-Problem zu kommen. Abraham konnte in solchen Situation Ramans starke Einrücken ins Zentrum mit einer zügigen Spielverlagerung direkt oder über Hinteregger zu Ndicka ausnutzen. Der Belgier hatte so zum einen weiten Weg ins Zentrum hingelegt, musste diesen weiten Weg nun jetzt aber auch wieder zurücklaufen. Diese Situation wiederholte sich immer wieder!
Auf der linken Seite dann angekommen zeigte vor allem Frankfurts Younes eine hohe Variabilität an Freilaufbewegungen. Mal holte er sich den Ball tief ab und öffnete so Passwege zu André Silva. Mal überlud er zusammen mit Kostic den Flügel oder blieb der Flügelsituation komplett fern, um Ndicka mit Kostic die Flügelsituation ausspielen zu lassen und nicht noch einen Gegenspieler mitzuziehen.
Positionsspiel – aber nicht von Schalke
In den meisten Fällen zeigte er sich aber in der blind-side von Stambouli, so dass er anschließend mit Halbraumdribblings Druck auf Schalkes Abwehrkette ausüben konnte.
Insgesamt konnte man im Frankfurter Positionsspiel, im Speziellen in deren Flügelspiel das sehen, was Schalke selbst komplett fehlt: Ein geordnetes Ballbesitzspiel.
Sobald Ndicka zu weit in die Flügelzone schob, rückte Kostic leicht ein, um weiter eine diagonale Passoption anzubieten. Sobald Kostic nicht mehr die maximal Tiefe besetzte, startete Younes einen Lauf und insgesamt verstanden es die Frankfurter sehr gut, wie man Zwickmühlen für die Schalker Defensive aufstellen kann.
Schalke hatte dagegen wie üblich große Probleme im Ballbesitz, was wie ebenfalls üblich in viele lange Bälle mündete. Allerdings scheint das aktuell auch Methode zu sein, sich mehr auf die zweiten Bälle und auf Umschaltmomente zu fokussieren.
Verbindung zwischen Psychologie und Taktik
Tatsächlich sind die Umschaltmomente auch durchaus solide. Teilweise fehlt etwas die Entschlossenheit und das Umblickverhalten, aber da wären wir wieder beim Punkt Psychologie. Mehr Erfolgserlebnisse würden da einfach helfen, um mit mehr Sicherheit in solche Situationen zu gehen.
Erfolgserlebnisse kann man von außen nicht garantieren. Der kürzlich entlassene Ex-PSG-Trainer Thomas Tuchel merkte mal an, dass Fußball auf dem Niveau Bundesliga ein player’s game sei. So sei man als Trainer ein Dienstleister für die Spieler, um deren Leistung zu verbessern. Am Ende kann aber nur der Spieler diese Leistung bringen. Der Trainer kann nur dabei helfen.
Transformiert auf Schalkes aktuelle Situation bedeutet es, dass man von außen einen Rahmen bilden kann, der mehr Erfolgserlebnisse begünstigt. Erfolgserlebnisse sammeln können die Spieler aber nur selber! So macht es nicht nur aus Gründen der defensiven Stabilität Sinn das Pressing zu verbessern. Man würde auch das offensive Umschalten mehr zur Geltung bringen können und somit auch die Chance auf mehr Erfolgserlebnisse erhöhen.
Wir sind in jedem Zweikampf zu spät! Wir haben kaum Fouls, weil wir kommen nicht mal in den Zweikampf rein!
Mark Uth (am 21.11.2020, unmittelbar nach dem Wolfsburg-Spiel)
Für die nachhaltige Verbesserung des Pressings wird entscheidend sein, dass man sich die Frage stellt, wie man Bindungen von Gegenspielern entgehen kann. Denn in letzter Zeit gab es einige Mannschaften (Freiburg, Leverkusen, Gladbach), die Schalkes Defensivblock so auseinanderziehen konnten und so jegliches Vorwärtsverteidigen auf der Doppelsechs verhinderten. So war zwar häufig ein gemeinsamer Pressingauslöser erkennbar, die Abstände zwischen den Pressinglinie waren aber so groß, dass man sich nicht gegenseitig absichern konnte.
Sicher sollte auch Stück für Stück das Ballbesitzspiel optimiert werden, dazu habe ich ja nach dem Freiburg-Spiel schon genügend geschrieben, aber als wichtigste inhaltliche Aufgabe sehe ich das Aufziehen eines vernünftigen Pressings, ansonsten bleibt nämlich nur die Hoffnung, dass die Gegner nicht den freien Raum sehen.
Fazit: Ein ganzheitlicher Marathon
Am Sonntag waren die defensiven Probleme wieder zu groß, um ein Spiel gewinnen zu können. Auch wenn es irgendwie sogar bis zur 72. Minute Unentschieden stand, sollte jedem Schalker klar sein, dass die Niederlage hochverdient war und dass Frankfurt die eindeutig bessere Mannschaft gewesen ist.
Ich hoffe dringend darauf, dass das Schalker Pressing in den nächsten Wochen deutlich besser wird, umso etwas mehr defensive Stabilität zu bekommen und im besten Fall sogar mit ein paar Umschaltmomente wie gegen Hoffenheim selber Kapital zu schlagen. Denn ansonsten wird es in nächster Zeit sehr schwierig, denn die meisten Mannschaften wissen inzwischen ganz gut, was man aus freien Räumen alles machen kann.
Mit Köln kommt am Mittwoch ein Gegner, der selber große Probleme hat. Es könnte daher ein fahriges Spiel werden. Ein Sieg wäre extrem wichtig, um den Abstiegskampf wieder eng zu gestalten. Dennoch wird der Abstiegskampf, um es in Christian Gross‘ Worten zu sagen, ein Marathon.
Ein Marathon, der den Verein in vielerlei Hinsicht fordern wird: Wille, Psychologie, Taktik, Transfers und noch viel viel mehr. Ich hoffe, dass es gelingt und wünsche mir, dass dann irgendwann auch mal wieder etwas Spielkultur zurückkommt.