Die Halbfeldflanke & Friends Vorstellung der Neuzugänge zur Saison 2021/22. Heute mit Danny Latza von Mara Pfeiffer.

Wenn ich an Danny Latza denke, dann zuerst an die pulsierende kleine Ader an seiner Schläfe. Danach an Katzen. Und schließlich an den HSV. Dabei bedaure ich, dass er als Kapitän nicht vor Publikum verabschiedet werden konnte und sein Gang in die 2. Liga bedeutet, dass dieser Abschied nicht in der Saison nachgeholt werden kann. Er hätte das sehr verdient gehabt.

Aber zurück zu Latzas Schläfe. Ich erinnere mich intensiv an die Situation im November 2019, als Latza sich vor den Journalist*innen zur Entlassung von Cheftrainer Sandro Schwarz äußern musste. Damals habe ich mich gefragt, wieso man dem Spielführer das so zumutete, denn es war mehr als offensichtlich, er hatte die Entscheidung der Verantwortlichen emotional noch nicht verarbeitet. Mir ging es ähnlich. „Es muss jetzt weitergehen“, gab er zu Protokoll, und: „Trotzdem war es für mich sehr emotional. Ich glaube, jeder wusste, was er am Trainer hatte.“

Das mochte, so wirkte es damals, gerade auch für Latza selbst gelten, der bei Schwarz in dessen zweiter Saison zum neuen Kapitän des Teams aufgestiegen war. Nun schien er unter der Bürde dieser Entlassung fast in die Knie zu gehen. Latza sprach davon, das Team haben den Trainer im Stich gelassen und es fühlte sich an, als mache er sich vor allem selbst dafür verantwortlich, Schwarz, der auf ihn gesetzt hatte, nicht mehr im Amt zu wissen.

Mein Eindruck damals war aber vor allem, dass der 05-Kapitän sein Kapitel im Verein so nicht beenden wollen würde. Irgendetwas musste noch passieren in seiner rotweißen Zukunft, das die Gefühle für diesen Verein wieder so positiv färben würden, wie sie das eigentlich einmal gewesen waren. Und ein simpler Klassenerhalt (wobei der in Mainz nie simpel ist) würde dafür nicht ausreichen. Es musste schon noch ein Feuerwerk kommen vor dem 05-Ruhestand.

Wäre die Geschichte des Captains ab diesem Zeitpunkt ein Drehbuch, hätte es die Produzentin dem Autor wohl um die Ohren gehauen. Nicht realistisch. Viel zu viel Kitsch. Wer soll sowas glauben? Schnelldurchlauf: Der Klassenerhalt in besagter Saison gelingt, offiziell unter Trainer Achim Beierlorzer, im Inneren war die Wirkmacht von Sportvorstand Rouven Schröder beim Team deutlich größer.

In der Folgesaison 2020/21 gerät der in ein kommunikatives Desaster, welches er teils mitverschuldet hat. Aufgrund einer globalen Pandemie (Kopfschütteln bei der Produzentin) verzichten die 05-Spieler zeitweise auf Gehalt. In Diskussionen lässt sich später nicht mehr auflösen, ob es um einen echten Verzicht oder eine Stundung ging. Ein Spieler, der zuvor kommunikativ vermittelt hatte, sieht sich nun aus dem Kader gestrichen. Weil das Team dieses Vorgehen nicht akzeptiert, folgt ein öffentlichkeitswirksamer Trainingsboykott. (Helles Gelächter bei der Produzentin, der Drehbuchautor ist beleidigt.)

Latza lässt sich im Nachgang nicht einfangen. Während der Verein gebetsmühlenartig betont, die Mannschaft habe die öffentliche Wirkung der Aktion unterschätzt, erklärt er, man habe es genau darauf angelegt. Der Kapitän wird zum Gesicht der Unzufriedenheit einiger Spieler mit dem Verein, ohne dass er je Zweifel an seinem Commitment zum Club aufkommen ließe.

Seine Fieldinterviews wirken, als befrage jemand einen bockigen Dreijährigen, dem das Spielzeug geklaut wurde. Einerseits ist das natürlich unprofessionell, zugleich tut es auf eine absurde Art gut, weil sein Frust der Frust einer ganzen Stadt über die Entwicklung des Vereins ist, und weil jede*r Latza anmerkt, er tut, was er kann, um die Lage zu verbessern – ist aber auch hilflos.

Mission Wiederaufstieg:
Schalker Neuzugänge 2021

Inzwischen ist Trainer Beierlorzer längst durch seinen Co Jan-Moritz Lichte ersetzt, die Saison der 05er wird negativ getoppt durch das Aus im Pokal. Ausgerechnet gegen Bochum, von wo Latza einst gekommen war. Sportvorstand Schröder, ebenfalls mit Bochumer Vergangenheit, hat tags zuvor das Handtuch geschmissen. Der Verein irrlichtert führungslos Richtung Zweite Liga, unterboten nur noch von Schalke 04.

Die Wiederauferstehung kündigt sich nicht an, doch sie erfolgt nichts desto trotz in der Rückrunde unter dem zurückgekehrten Christian Heidel, seinem neuen Sportdirektor Martin Schmidt und Trainer Bo Svensson, einst 05-Spieler. (Die Produzentin ist längst gackernd zusammengebrochen, der Drehbuchtautor weint.)

Heidel war auch derjenige, der Latza einst nach Mainz geholt hatte. Seine Episode bei Latzas Heimatverein Schalke 04 endete bekanntermaßen unglücklich. In Mainz aber schlägt das alte, neue Trio ein und mit den Erfolgen auf dem Platz schüttelt auch der Kapitän eine Last ab, die seit jenem November 2019 auf seinen Schultern geruht hatte.

Latza, der sich auf dem Feld nie aufgegeben hatte, blüht nun auch jenseits des Platzes wieder auf. Das Team, das er angeführt hat, wird eine neue Gemeinschaft, wozu auch seine Führung unter Bo Svensson und den Cos Babak Keyhanfar und Patrick Kaniuth beiträgt. Die Sehnsucht des Umfeldes, die mitreißenden Spiele im Stadion verfolgen zu können, wächst, die emotionale Nähe ist zurück.

Und Latza? Bekommt ein Angebot seines Heimatvereins, der neben der rotweißen Aufholjagd am Tabellenende hängengeblieben ist – und schließlich absteigt. Die Unterschrift bei Schalke 04 ist sowas wie eine Lebensversicherung der 05er in Liga 1: Der Kapitän muss schließlich das perfekte Drehbuch zu Ende schreiben und das wäre nicht möglich gewesen mit einem Abstieg.

Er geht nach dem Klassenerhalt, zu dem einzigen Verein, den man ihm nicht krummnehmen kann, weil er dort einst zum Spieler reifte. Heim, nach Gelsenkirchen, für das sein Kämpferherz einen nachvollziehbaren Softspot hat – und wo er Rouven Schröder wiedertrifft. Zugegeben, ihn nun in blauweiß, statt wie bisher in rotweiß zu sehen, ist schon sehr gewöhnungsbedürftig. Und doch gibt es hier in Mainz niemandem, der ihm nicht alles Glück der Welt wünscht.

Mach es gut, Danny. Und danke für alles, Captain.

Geschrieben von Mara Pfeiffer

Mara ist Journalistin und Autorin und begleitet den 1. FSV Mainz 05 in beiden Rollen seit vielen Jahren. Daneben ist ihr beruflicher Schwerpunkt die Rolle des Fußballs in der Gesellschaft. Sie gehört zur Podcast-Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“ und den Netzwerken „F_in – Frauen im Fußball“ und „!Nie wieder – Erinnerungstag im deutsche Fußball“. Ihren Podcast „Flutlicht an!“ findet ihr hier, ihre Kolumnen hier, hier und hier und natürlich ist sie auch auf Twitter, Instagram und LinkedIn.

2 Replies to “Danny Latza – Oh Captain, mein Captain

  1. Ein schöner, sehr emotionaler Blick und Rückblick auf das Wirken bei und den Abschied von Mainz 05 von Danny Latza. Und dann verletzt er sich, nach augenscheinlich guter Vorbereitung und auch wirklich als Säule für den Neuaufbau verpflichtet, direkt im ersten Pflichtspiel schwer. Es ist zum Heulen. 🙁

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