Ein Spiel das irritierte. Okay, das Unentschieden geht sicherlich irgendwie in Ordnung. Und mindestens die erste Halbzeit war ein recht spektakuläres Fußballspiel. Doch irgendwie passte da so einiges nicht zusammen…

Die Grundformationen zu Spielbeginn.
Die Grundformationen zu Spielbeginn.

Die Systeme

Wie ein paar Tage zuvor bei Real Madrid spielte Werder Bremen mit einem 6er Names Kroos in einem 4-3-3 System. Diesmal war’s der kleine Bruder Felix Kroos und eine Raute im Mittelfeld. Die offensive 3er Reihe bildete also eine Doppelspitze aus Santo und Selke mit einem 10er dahinter, Bartels. Die beiden 8er Junuzovic und Fritz orientierten sich in der Raute eher an Kroos, so dass sich besonders defensiv zwei 3er Ketten vor der 4er Kette formierten.

Die Königsblauen dagegen spielten ganz ähnlich wie gegen das weiße Ballett. Zumindest oberflächlich. Schalke baute sich im 5-3-2 auf und versuchte immer schnell die Verteidigungsordnung herzustellen. Allerdings war die Grundausrichtung deutlich offensiver, lediglich 5% der Pässe wurden im Abwehrdrittel gespielt (Werder: 14%). Es wurde viel zu langen Bällen auf die Flügel gegriffen, gerne auch diagonal. Platte gab den Stoßstürmer an der Abseitslinie und Choupo-Moting spielte um ihn herum. Außerdem gab, für mich etwas überraschend, Barnetta den rechten Außenverteidiger. Und machte das besonders in der ersten Halbzeit recht gut, war sehr aktiv nach vorne, spielte die meisten Pässe auf dem Platz (64 vor Neustädter mit 48) und schlug 8 Flanken.

Weder Bremen noch Schalke war auf Ballbesitz aus, beide versuchten schnell zu kontern. Dabei war auffällig, dass selten intensiv gepresst wurde.

Das Schalker Aufbau-Paradox

Wenn eine Mannschaft versucht zu Kontern, sollte sie dies schnell tun. Lücken im Defensivverbund des Gegners ergeben sich meist aus dem Umschaltmoment. Doch das tat Schalke nicht. Bei Ballgewinn in der 5er Kette oder durch den Torhüter Wellenreuther wurde selten direkt nach vorne gespielt. Schalke nahm sich meist die Zeit sich selbst zu sortieren. Anschließend, wenn also beide Teams ihre Ordnung gefunden haben, versuchte Schalke schnell nach vorn zu spielen. Das ist Widersprüchlich. So kommt aber die geringe Passquote im Abwehrdrittel zustande. Pässe unter den Innenverteidigern gab es fast nie. Es gab keinen Spielaufbau für einen Strukturierten Angriff.

Der Grund dafür liegt vermutlich im breiteren Angriffsspiel. Wenn der 6er Raum im schnellen Spiel nach vorne überspielt wird, sind 6er und 8er frei für das Spiel Richtung gegnerischen Tors.

Offensivkraft Neustädter

Roman Neustädter hat meine Ausführungen zum letzten Spiel wohl gelesen. Seine Spielweise war komplett unterschiedlich. So offensiv habe ich ihn noch nie spielen sehen. 3 Torschüsse waren das Ergebnis. Zum Vergleich, in 19 Bundesligaspielen davor kam er insgesamt auf 8.

Es zog ihn deutlich in die Spitze und seine Pässe waren deutlich mehr nach vorne als es typisch ist für ihn. Und das Ergebnis war dann auch dementsprechend. Von 48 Pässen kamen nur 32 beim Mitspieler an, das sind ⅔, also nicht ganz 67%. Sein Bundesliga-Durchschnitt liegt bei 84%, sowas nennt man einen krassen Ausreißer.

Ballbesitzspiel

Roberto Di Matteo hat es geschafft die Defensive zu stabilisieren. An der offensive wird dagegen häufig gemäkelt. Aufbauspiel gab es nicht. Weiter vorne jedoch wurde durchaus mit System gearbeitet. Die Flügel wurden stark überladen, weil die ganze Mannschaft stark zum Ball verschob. Im Bild ist das mal angedeutet, mit dem Ball auf der rechten Seite.

s04svw-offensivDas Gros der Angriffe wurden über die rechte Seite gefahren, besonders in der ersten Halbzeit. Darum möchte ich diese hier als Beispiel nehmen. Der Ballferne Außenverteidiger (Fuchs) gibt breite und steht für Spielverlagerungen bereit. Der Ballferne 8er (Meyer) rückt deutlich auf und positioniert sich fast in der Spielfeldmitte hinter dem Stürmer (Platte). Der 6er (Neustädter) orientiert sich auch an der Mitte und zieht nur punktuell mit auf den Flügel, steht für Anspiele allerdings jederzeit bereit um den Ball weiter nach vorn zu bringen. Der Ballnahe 8er (Höger) sowie die hängende Spitze (Choupo-Moting) orientieren sich in den Halbraum zum Flügel wo der Außenverteidiger (Barnetta) auf und ab rennt. Die letzten drei kreiseln dabei viel. Ständig werden die Positionen getauscht und sich gegenseitig hinterlaufen.

Einer der drei Flügelspieler (Hängende Spitze, Ballnaher 8er und Außenverteidiger) bringt den Ball dann irgendwann ins Zentrum, wo sich alle anderen positionieren und den Torabschluss vorbereiten. So findet zwar der Großteil des Spiels auf den Flügeln statt (das Zentrum war von Werder gut zugestellt), doch der tatsächliche Abschluss wird zum Großteil aus dem Zentrum gesucht.

Speziell hier war die offensive Ausrichtung Neustädters, aber auch, dass Höwedes immer wieder mit nach vorne zog, Barnetta auf dem Flügel unterstützte oder sogar ersetzte.

Fazit

Es war ein merkwürdiges Spiel. Di Matteo sagt, dass ihm Gegenpressing nicht wichtig sei, und das ist dem Spiel anzusehen. Dazu kam in dieser Partie noch, dass generell auf Pressing weitestgehend verzichtet wurde. Es gab kein Ballbesitzspiel, dafür wurde gekontert. Allerdings erst nachdem alle Zeit hatten sich zu organisieren. Das Zentrum ist stark besetzt und doch geht es nur darum am Flügel nach vorne zu kommen um dann eine Hereingabe zu spielen.

Das Problem an dem Spiel war, dass Werder prinzipiell die gleiche Spielidee hat wie Schalke zurzeit. Gegen eine Mannschaft mit stärkerem Ballbesitzspiel wirkt das ganze deutlich ausgegorener. Das Derby kann also kommen.

1 Reply to “Das Aufbau-Paradox, FC Schalke 04 – SV Werder Bremen, 1:1

  1. Schöner Analyse mal wieder!

    Beim Spiel ist mir aufgefallen das Platte sobald er den Ball bekommt auch den Abschluss sucht. Ich glaube nicht das Huntelaar beim gleichen Ballbesitz so viele Torschüsse hat.

    Aber wenn auch Neustädter so extrem viel Torschüsse hat ist das sich bestimmt die Vorgabe gewesen.

    Beim Sky Vorbericht hat Di Mateo auch gesagt das Platte seine Rolle sehr frei interpretieren dürfte. Hat auf jeden Fall Spaß gemacht beim zusehen.

    (Felt da im letzten Satz vor das Fazit das Wort Auffallend?)

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