Wenn man die Statistik liest, sieht es nach einem nahezu perfekten Unentschieden aus. Ballbesitz (50,5% für Schalke zu 49,5% für Leverkusen), Ballkontakte (662 zu 647), gespielte Pässe (434 zu 432), Fehlpassquote (23,3% zu 23,9%), gelaufene Distanz (116,2km zu 116,0km) und Torschüsse (12 zu 11) sind nahezu identisch, hüben wie drüben. Den großen Unterschied machte hier ein Schalker Pärchen. Und zwar nicht die neulinge Aogo und KPB, sondern die beiden 6er Marco Höger (62 Pässe, davon 87% erfolgreich) und Roman Neustädter (55 Pässe, davon 84% erfolgreich).
Die Aufstellungen
Leverkusen spielte in einer engen 4-3-3 Formation, bei der das Mittelfeld recht dicht besiedelt ist, die Flügel aber weitgehend frei bleiben. Damit hier das Feld nicht kampflos dem Gegner überlassen wird, bedient sich Hyypiä zweier Konzepte: Offensiv beackern die beiden Außenverteidiger Boenisch und Donati den kompletten Flügel. Sie sind als Anspielstation oder Flankengeber auf der gesamten Tiefe des Feldes zu erreichen. Defensiv presst Bayer aggressiv und bleibt dabei im 4-3-3. Offene Bereiche auf den Flügeln werden hier vermieden, indem die ganze Mannschaft zwar sehr kompakt und eng gestaffelt steht, aber dabei sehr beweglich agiert und viel zum Ball hin verschiebt. Damit wird das Spielfeld immer stark verkleinert und dem Gegner soll die Luft genommen werden. Freier Platz ensteht nur da, wo der Gegner ihn nicht nutzen kann: Ballfern. In der Grundformation hält Leverkusen damit das Mittelfeld komplett unter seiner Kontrolle, Schalke sollte früh im zweiten Drittel am durchkommen gehindert werden.
Wie üblich spielte Schalke in einem 4-2-3-1, nur diesmal mit neuem Personal. Dennis Aogo ersetzte den gesperrten Fuchs auf der Linksverteidigerposition und Kevin-Prince Boateng spielte zwischen Draxler und Farfan. Defensiv positionierten die Blauen sich wie gewohnt in einem 4-4-2, bei dem Boateng neben Szalai in der Spitze Druck auf die Aufbauspieler machte. Gelegentlich ließ Boateng sich aber auch in die zweite Reihe fallen, so dass ein Situatives 4-5-1 entstand. Das Mittelfeldpressing war deutlich aktiver als zuletzt. Schalke hat gut verschoben und die Reihen eng gemacht, da die ständige Gefahr von Leverkusens Schnittstellenpässen in der Luft war. Oft positionierten sich die Offensivspieler von Leverkusen zwischen den Schalker Reihen und hofften auf ein Anspiel. Das blieb aber meist aus, weil speziell die 6er solche Pässe gar nicht erst ermöglichten.
Die Frage nach der 10 schien beantwortet, weil Kevin-Prince Boateng den 10er Raum belegte und Draxler über links kommen sollte. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Auf Grund der Enge durch das Leverkusener Spiel und um das eigene Spiel breiter zu machen wich Boateng stark nach rechts aus. Oft kippte er auch zwischen die 6er oder gar zwischen die Innenverteidiger. Der 10er Raum wurde wechselnd von ihm und Draxler bespielt, beide pendelten immer wieder hinein und heraus.
Zu Beginn des Spiels war die Viererkette sehr konservativ organisiert. Man konnte sehen, dass es hier zunächst um Sicherheit ging und dass die Spieler die wenig erfolgreiche Phase mitgenommen hatte. Hier waren immer alle auf einer Linie und die Außenverteidiger rückten kaum auf. Erst mit der Zeit wurden Uchida und Aogo mutiger, zur defensiven Unterstützung kippten dann die 6er zwischen oder neben die Innenverteidiger ab. Gelegentlich blitzte sogar das Kombinationsspiel von Aogo mit Draxler und den 6ern schon auf.
Schalke versuchte das Spiel breit zu machen und Leverkusen so auseinander zu ziehen. Die Flügelspieler blieben an der Seitenauslinie und es gab häufige Spielverlagerungen von der einen auf die andere Seite. Ziel war ein Loch zu finden, durch das Schalke dann Richtung Tor durchstoßen könnte. Das gelang so allerdings nur selten, weil Leverkusen sehr gut und diszipliniert gegen den Ball arbeitete. Gelegentlich konnten sich die Knappen durch situatives Überzahlspiel vor allem mit Hilfe der 6er durch die Reihen von Leverkusen kombinieren, in Strafraumnähe fehlten aber dann die Anspielstationen.
Leverkusens Pressing-Falle
Außerdem arbeitete Leverkusen mit einer schönen Strategie: Die Spieler verteilten sich so, dass der Schalker Aufbauspieler frei stand und viel Raum vor sich hatte, dafür aber keine direkte Anspielstation. Sobald er aber diesen Raum zu nutzen versuchte und Richtung gegnerischen Strafraums marschierte, schnappte die Falle zu. Die Leverkusener orientierten sich wie auf ein Kommando alle auf den Ball und zogen sich um den ballführenden Spieler zusammen. Der hatte dann nicht nur keine Abspielstation sondern kam auch akut in Bedrängnis, bis er den Ball schließlich verlor und Leverkusen mit einer Vielzahl an Spielern den Strafraum stürmte.
Bei dieser Strategie wird die Trägheit während des Umschaltmoments genutzt, Leverkusen selbst ist bereits im Angriffsmodus noch bevor sie den Ball überhaupt haben. Und bevor der Gegner wirklich versteht was gerade passiert fliegt der Ball auch schon auf’s Tor.
In diese Falle tappten Matip und Aogo ein paar Mal. Im Zuge dessen schoss sich die Arena wieder schnell auf Matip ein, und Sky „Experte“ Effenberg trällerte fröhlich mit. Das ist aber kompletter Unsinn, weil Matip noch am wenigsten dafür kann. Es sah zwar immer aus als würde er den Ball verstolpern, Tatsache ist aber, dass ihm die Optionen geraubt wurden. Er machte das was er tun musste: „Wenn Du nicht abspielen kannst, lauf!“ Der Rest der Mannschaft schaffte es allerdings während des Vorstoßes nicht sich für ein Zuspiel anzubieten. Es war also ein mannschaftstaktisches Versagen, kein individuelles.
Eine Option hätte Matip übrigens gehabt. Direkt zu Beginn einer solchen Szene hätte er (und hat oft, wenn er soetwas erkannt hat) zurück zum Torhüter spielen können. Aber dann pfeiffen ja auch alle…
Schalkes Konterstärke
Bei Leverkusens Angriffen wurde eine Menge Druck auf Schalke erzeugt, da Bayer sehr stark und schnell aufrückte. Die drei Offensivspieler kombinierten direkt vor dem Strafraum, die Außenverteidiger kamen auf den Flügeln hinzu und direkt hinter dieser Reihe baute sich das Mittelfeld auf. Die Schalker Verteidigung stand aber deutlich sicherer als zuletzt und besonders die beiden 6er konnten die meisten Angriffe durch die Mitte früh entschärfen indem sie den Ballführenden Spieler vom Rest abschnitten.
Der hohe Druck Leverkusens lud aber förmlich auch zum berühmt berüchtigten Schalker Konterspiel ein. So wurde auch das 1:0 durch einen Angriff von Leverkusen eingeleitet. Der gewonnene Ball wurde schnell auf Szalai gespielt (der sich im Rückraum auf relativ verlorenen Posten das ganze Spiel lang aufrieb und stark mitarbeitete), der dann nur irregulär gestoppt werden konnte. Der Freistoß wurde dann wunderschön von Farfan getreten und von Högers Schulter veredelt.
Leverkusen erhöht den Druck
In der zweiten Hälfte spielte Schalke etwas stringenter. Boateng blieb stärker auf seiner Position zwischen Draxler und Farfan, er wich jetzt fast gar nicht mehr auf den Flügel aus. Gleichzeitig rückten die Außenverteidiger stärker auf. So wurde das Spiel weiterhin breit gezogen, das Mittelfeld wurde aber nicht (wie in der ersten Hälfte gelegentlich) kampflos dem Gegner überlassen.
Der Grund dafür war wohl, dass man gewappnet sein wollte, würde Leverkusen den Druck erhöhen wollen. Das wollte Leverkusen tatsächlich. Und tat es auch. Ein durchkommen gelang dank der Schalker Defensive dennoch nicht, obwohl diese gelegentlich wackelte.
Sami Hyypiä wollte den Druck dann weiter erhöhen, indem er Hegeler brachte. Positionsgetreu kam dieser für Castro, interpretierte seine Rolle aber deutlich offensiver. Dadurch entstand allerdings eine Lücke im Mittelfeld, die nicht immer gut gedeckt werden konnte. Farfan bekam also mehr Platz geschenkt, den er dankbar annahm.
Einmal passierte genau das, Hegeler steht am gegnerischen Strafraum, wie auch die komplette Bayer Offensive, Schalke bekommt den Ball, kreiselt kurz und Farfan hat plötzlich mit Ball aber ohne Gegenspieler das halbe Feld vor sich. Vom Ball getrennt wird er dann erst im Strafraum und verwandelt den Strafstoß direkt noch gleich mit.
Fazit
Schalke war hervorragend auf Leverkusen eingestellt. Besonders die 6er Neustädter und Höger machten viele Wege und spielten ihre Pressingresistenz voll aus. Dazu wurden die drei Offensivspieler fast komplett aus dem Spiel genommen. Gleichzeitig hatte Leverkusen das Pech bei zwei Kontern lediglich einen Schritt zu spät zu kommen. Das Aufbauspiel der Schalker hakte nämlich auch hier, obwohl das Kombinationsspiel immer schärfere Konturen annimmt. Ich freue mich darauf, wenn Aogo und Boateng voll ins Spiel integriert sind und erwarte aufregenden One-Touch-Fußball, vor allem mit Draxler und den 6ern.
Schalker Kreisel Reloaded.
Nach 60-70 Minuten hab ich zu mir gesagt: „die spielen ja Fussball. “ Das erste Mal in dieser Saison. Im Großen und Ganzen kann man mit der Leistung zufrieden sein. Leverkusen ist sicher einer der taktisch besten Mannschaften in der Buli. Was mir nicht so gefällt, sind die „Spieleröffnung“ vom Torwart. Die Fehlpassquote vom Torwart gehört zur Buli -spitze. Einfach nach vorne Dreschen. Dabei liegt es weniger an Hildebrand, sondern eher daran, das er einfach keine Anspielstationen hat. Da fehlt mir der Wille den Aufbau spielerisch zu lösen.
Was mir auch wieder auffiel, das Farfan nach Hinten zu wenig arbeitete. Boenisch hatte einfach zu viel platz. obwohl man wusste, das die AV sehr hoch stehen. Das spiegelt auch seine Laufleistung wieder, die weit unter seinem Gegenüber Draxler liegt. Natürlich war Farfan Offensiv an diesem Spieltag eine 1.
Sollten diese 2 Punkte auch noch abgestellt werden, so kann man noch einiges von der Mannschaft erwarten.
BWG
Jörg
Ich stimme zu, was das Aufbauspiel angeht, glaube aber nicht, dass es am Wille liegt. Das ist zwar schon stark verbessert im Vergleich zum Hamburgspiel, allerdings noch immer nicht gut. Keller hat da noch einiges an Arbeit vor sich.