Norbert Elgert ist mit Schalkes U19 (mal wieder) Westdeutscher Meister geworden. Grund genug einen genauen Blick auf sein frisch veröffentlichtes Buch zu werfen. Und zwar genauso, wie es das Buch selbst auch tut, mit einer Anekdote.

Im Januar 2017 war ich auf Einladung von Mercedes Benz hin gemeinsam mit Torsten Wieland beim Junior Cup in Sindelfingen. Das ist ein U19 Hallenturnier, bei dem der glorreiche FC Schalke 04 regelmäßig für lange Hälse sorgt. Als Taktik-Nerd hatte ich natürlich die Hoffnung in dem Rahmen ein paar Worte mit dem vermutlich besten Ausbilder im deutschen Fußball wechseln zu dürfen.

Ich hatte viele Fragen. Gar nicht so viele um seine Mannschaft, aus Zeitgründen komme ich fast gar nicht dazu die U19 zu verfolgen. Es ging mir mehr um seine Arbeit. Wie muss mit jungen Menschen umgegangen werden, die zum Teil schon ein mächtiges Preisschild um den Hals tragen? Wie kann jungen Menschen dabei geholfen werden Menschlich zu bleiben, die schon mit einem Bein in der Zirkus Manege stehen? Wie bereitet sich ein Trainer vor? Und vor allem, wie bildet sich jemand weiter, der so viel Erfolg hat?

Beim ersten Tag während des Turniers, habe ich ihn dann mal von weiten gesehen, bei einem Interview mit Kamera kurz vor der Nase. Er wirkte dezent genervt. Am nächsten Tag würde meine Chance kommen. Ich war mir sicher.

Abends im Hotel merkten wir, dass wir witziger Weise auf der Schalke Etage unsere Zimmer hatten. Das heißt, da waren wir und der Betreuer-Stab und die Mannschaft und sonst niemand. Den Weg zum Zimmer nach der Hotelbar (nicht wirklich spät) machte ich mit dem Busfahrer und einem Physio. Beide Namen vergessen, natürlich, aber mega nett.

Jetzt habe ich den Winter als recht kalt in Erinnerung. Am nächsten Morgen waren es etwa -10 °C, erst kurz vorher hatte ich mir eine neue Hose zum Laufen gekauft, die lang und warm genug ist. Persönlich finde ich diese engen Laufhosen nicht so bequem und hatte deshalb eine klassische Jogginghose gewählt. Zu der Zeit habe ich beim damaligen Schalke Ausrüster gearbeitet und von den drei Modellen, die mir mit gleichem Preis zur Verfügung standen hatte eine das Schalke Wappen aufgenäht. Entscheidung gefällt.

Und als ich mich Morgens also im Hotel für eine Laufrunde fertig mache, fiel mir auf, dass besagte Hose genau jene ist, die von der Mannschaft hier auch getragen wird. Meine Jacke war in einem ähnlichen Farbton, ich hätte also als Team Mitglied durchgehen können. Und so verließ ich mein Zimmer, Mütze tief ins Gesicht gezogen, wovon der Großteil auch noch durch meinen Bart verdeckt wurde.

Und als ich durch die Tür zu den Fahrstühlen kam, ging die andere Tür auf. Erst kam eine Frau und dann ein Mann. Zunächst etwas mit mir selbst beschäftigt nickte ich beiden entgegen und ließ mir auch noch ein höfliches „Guten Morgen“ entlocken. Da plötzlich fiel mir auf, dass die beiden Cornelia ( im Buch immer nur „Conny“) und Norbert Elgert sind.
Erstere grinste leicht, letzterer guckte mich kurz stutzend an. Wer war der Typ gekleidet wie ein Teil seiner Mannschaft, aber doppelt so alt?

Und ich sollte jetzt so mit beiden Fahrstuhl fahren?
Panikattacke.

Nochmal nickend verabschiedete ich mich zu den Treppen und rannte diese runter um den beiden auch bloß unten nicht nochmal über den Weg laufen zu müssen.

Während meiner Laufrunde und den Rest des Tages hatte ich dann genug Zeit mir selbst vorzuwerfen, wie blöd ich bin. Die perfekte Gelegenheit, die ich da versaut habe. Müßig zu erwähnen, dass ich Elgert den Rest des Tages nicht mehr zu Gesicht bekam.

Und jetzt zum Buch

Nachdem ich das Buch gelesen habe, glaube ich, Elgert hätte sich über meine Fragen sehr gefreut. Tatsächlich dreht sich nämlich das komplette Buch genau darüber. Okay, nicht das komplette…

Er Berichtet aus seinem Leben, und erklärt die Tiefschläge die er überwinden hat müssen. Besonders erklärt er aber, was er daraus gelernt hat. Und immer wieder zeigt er, wie er diese oder jene Lektion in sein Coaching einbaut.

Denn eigentlich ist es genau das, ein Buch über Coaching. Ein Motivationsbuch. Selbstverständlich berichtet er viel über Schalke und von seiner Zeit bei Schalke. Und selbstverständlich geht es immer wieder um seine U19. Und selbstverständlich geht es um viele Menschen drin und drum. Von Rudi Assauer und Huub Stevens, Felix Magath und Frank Neubarth. Und natürlich unzählige Spieler. Zu allen gibt es Geschichten die er aus seiner persönlichen Brille erzählt. Großartig. Und natürlich dürfen auch Nacherzählungen von speziellen Spielen nicht fehlen.

Unterbrochen werden die Kapitel von Erzählungen verschiedener Protagonisten. Alfred & Julian Draxler (zwei verschiedene Texte natürlich), Sead Kolasinac, Andreas Müller, Tochter Jenny und viele mehr. Persönlich fand ich die meisten davon nicht sonderlich Wertvoll. Oft geht es darin um reine Lobhudelei, gespickt mit persönlicher Politik. So pocht Clemens Tönnies etwa natürlich darauf, dass er der ist, der den Laden zusammen halte und Thilo Kehrer nutzt die Gelegenheit zu Berichten wie das damals wirklich mit Inter lief.

Viele Antworten

Die Frage wie er sich weiterbildet beantwortet Norbert Elgert klar, er liest viel. In dem Buch zitiert er häufig und erklärt Hintergründe. Es geht sehr viel um Wahrnehmung, und um Druck. Der Coach hat eine klare Meinung zu vielen Themen die in der Öffentlichkeit diskutiert werden und erklärt diese. Etwa bei Themen wie Bestrafungen von Spieler (fast nie Zielführend) oder wann und wem eine Aufstellung erklärt werden sollte (eigentlich nie irgendwem). Sehr Detailliert erklärt er auch, warum die Vorbereitung vor Spielen so wichtig ist und wie dabei sich selbst und dem Team mehr Druck aufgebaut werden kann. Überhaupt spricht er viel von Druck und wie kontraproduktiv dieser ist.

Besonders die letzten beiden Kapitel fand ich interessant, in denen es weniger um den Spieler Elgert ging und mehr um den Trainer Elgert. Hier berichtet er über seine 268 Tage Co-Trainer bei Schalke 04 und wie es danach nur 162 Tage dauerte ehe er die U19 übernahm. Hier kritisiert er den Ansatz der Fußballerausbildung in Deutschland. Er beschreibt auch den Interessenskonflikt und wie Trainer dazu getrieben werden Erfolge einzufahren, statt Spieler bestmöglich auszubilden.

Es geht immer darum zu lernen

Elgert lebt vor und beschreibt, wie wichtig es ist zu reflektieren und aus Misserfolgen zu lernen. Selbstverständlich werden dabei viele Motivationssprüche geklopft (Hinfallen ist nicht schlimm, nicht wieder aufzustehen ist es). Das gehört ja dazu. Und er bringt seine Meinung mit ein, die er klar formulieren und belegen kann. Ganz wichtig ist es dabei, sich von eigenen Misserfolgen nicht einschüchtern zu lassen. Das lebt er vor und geht mit Rückschlägen und den Schmerzen die sie verursachten ganz offen um. Das ist beeindruckend.

Vielleicht habe ich mal die Chance ihm irgendwann „unser“ Fahrstuhlerlebnis zu erzählen. Ich habe gelernt beim nächsten Mal einfach eine Frage zu stellen und nicht wieder 2 Jahre auf ein Buch zu warten.

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