Schon oft bot Schalke in dieser Saison ein Spiel mit zwei völlig unterschiedlichen Halbzeiten. Aber diesmal konnte das noch gesteigert werden. Das lag unter anderem auch daran, dass der Gegner mit machte. Zwei Analysen in einer Gegenüberstellung.

Die Grundformationen zu Spielbeginn.
Die Grundformationen zu Spielbeginn.

Die erste Halbzeit

Leverkusen begann in einem 4-2-3-1 bei dem Kevin Kampl eine zentrale Rolle zukommen sollte, zwischen dem Bellarabi & Brandt Flügeln. Dabei versuchten sie immer wieder mit langen Bällen Konter einzuleiten. Sie versuchten dann schnell nach vorne zu stoßen und Überzahlsituationen zu erzeugen. Insgesamt ist die Werkself bekannt dafür ein starkes Pressing zu fahren und Bälle mit rigidem Gegenpressing zurückzuerobern.

Schalke wusste das natürlich und versuchte dem auf zwei Arten zu begegnen. Zum einen spielerisch. Mit Choupo-Moting und Meyer waren die Schalker Schwergewichte auf dem Platz, wenn es darum geht sich Drucksituationen zu entledigen. Beide finden auch auf engstem Raum oft Lösungen, der eine hauptsächlich durch Dribblings, der andere zusätzlich noch durch starke Pässe.

Zum anderen spielte Schalke aber auch Mannschaftstaktisch sehr stark. Die Staffelung passte sehr gut. Oft ergab sich ein situatives 3-4-3, wenn Geis zwischen oder neben die Innenverteidiger kippte, das dem sehr vergleichbar war, wie Schalke gegen die Bayern und Dortmund gespielt hat. Die Linien waren dann eng und kompakt, so dass viele der langen Leverkusener Bälle einfach stecken blieben. Gleichzeitig funktionierte die übliche Schalker Mannorientierung sehr gut und die Leverkusener konnten sich nur selten überhaupt Anspielbar machen. Dazu setzten die Blauen die Werkself durchgehend unter Druck. Es gab ein Deutliches Plus an gewonnenen Zweikämpfen zur Halbzeit und die Gäste fanden überhaupt keinen Zugriff auf’s Spiel.

Währenddessen konnte Schalke einige seiner Konter anbringen, und ein paar wenige davon sogar relativ gut zuende spielen. Das ist ja oft das Manko bei der Mannschaft von André Breitenreiter. Diesmal passte das großflächig gut und Schalke kam zu einen Strafstoß und zwei Toren. Allesamt Resultate davon, dass Schalke das Spiel schnell machte und Überzahlsituationen erzeugen konnte.

Ich betone die Überzahlsituationen deshalb hier so, weil sie das Spiel einfach machen. In einer 2 gegen 3 Situation, müssen sich die beiden Verteidiger auf 3 Angreifer aufteilen. Das ist dann nicht zwingend ein Selbstläufer, kann aber, wenn es schlau ausgespielt wird, zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden.

Schalke ließ sich in der Defensive nicht in Unterzahlsituationen drängen, schaffte das gleiche aber mit Leverkusen. Die Gäste spielten dabei gleichzeitig zu statisch und konnten ihr eigenes Spiel nie wirklich durchbringen. Schalke zeigte die vielleicht überzeugendste Halbzeit der Saison.

Die Grundformationen zu Beginn der 2. Halbzeit.
Die Grundformationen zu Beginn der 2. Halbzeit.

Die zweite Halbzeit

Roger Schmidt stellte um und brachte Stefan Kießling für Lars Bender, womit sich ein 4-2-2-2 ergab. Kampl zog etwas zurück aber wurde dadurch zu dem zentralen Spieler, der er schon in der ersten Halbzeit sein sollte. Zusätzlich spielte Leverkusen deutlich variabler als in der ersten Halbzeit. Besonders an den Flügelspielern wurde das deutlich, die überall auftauchten und auch die Flügel oft wechselten. Ziel war damit natürlich die Schalker Mannorientierungen zu sprengen.

Schalke war bewusst, dass Leverkusen jetzt noch mehr auf noch längere Bälle setzen würde (zumindest gab das Co-Trainer Bulut in der Halbzeitpause zu Protokoll). Obwohl das weiterhin vermieden werden wollte, lud Schalke dazu ein, denn sowohl die Staffelung als auch die Kompaktheit blieb in der Kabine.

Außerdem fehlte es jetzt deutlich an Intensität, Zweikämpfe wurden nicht mehr so gesucht/angenommen/gewonnen wie noch in der ersten Halbzeit. Das ging jetzt deutlich an die Gäste. Auch wurden jetzt einfach nicht mehr die Wege gemacht, immer wieder fanden sich Knappen in Unterzahlsituationen wieder, weil der Rest der Mannschaft nicht entsprechend auf- oder einrückte.

So taten sich große Löcher auf, die Leverkusen bespielen konnte und die sie nutzen um ihrerseits jetzt Überzahlsituationen zu erzeugen. Immer wieder Kreuzten sich die Wege von Leverkusener Offensivspielern und Schalker Verteidiger hatten Probleme beim Übergeben und Nachverfolgen. Speziell in der Anfangsphase kam Leverkusen so zu unfassbar vielen Torchancen und ja auch drei Toren.

Wie so oft schon in den letzten Jahren, hatte Schalke starke Probleme mit Tempowechseln. Auch jetzt schien es der Mannschaft nicht möglich den Hebel wieder umzulegen und die Intensität wieder zu erhöhen. Das gelang nur sehr, sehr langsam. Die Auswechslung von Geis und Højbjerg war da elementarer Bestandteil, und vielleicht etwas spät. Die beiden kamen auffällig Bewegungsarm aus der Kabine.

Die Einwechslung Höwedes‘ ist meiner Meinung nach eher der EM geschuldet und hatte wenig mit diesem Spiel zu tun. Was schade ist, denn eigentlich war Schalke in der Endphase wieder recht gut im Spiel. Sicherlich auch, weil die Werkself inzwischen stehend KO war.

Fazit

Beide Mannschaften standen über die gesamte Spielzeit recht hoch und wollten gewinnen. Allerdings fand Leverkusen in der ersten Halbzeit überhaupt nicht in die Partie und Schalke in der zweiten. Die aktivere Mannschaft schaffte es jeweils immer wieder Überzahlsituationen zu erzeugen und so die eigenen Konter mehr oder weniger Erfolgreich auszuspielen. Das machte Leverkusen etwas souveräner als Schalke, was letztlich den Sieg ausmachte.

Schalke spielte eine beeindruckend starke Halbzeit und eine lächerlich passive. Die Frage nach dem Warum kann taktisch aber leider nicht geklärt werden. Lothar Matthäus sprach nach dem Spiel von Disziplinlosigkeiten. Der Reflex ihm bei seinen Aussagen immer wiedersprechen zu wollen, setzte dabei  allerdings irgendwie nicht ein…

12 Replies to “Jeweils nur eine Halbzeit mitgespielt. FC Schalke 04 – Bayer 04 Leverkusen, 2:3

  1. Danke für deine Analyse. Es tut gut, das Spiel nochmal aus rein taktischen Gesichtspunkten zu betrachten. Spürbar war, die Spieler wirkten in HZ 2 so, als hätten sie eine Dosis Valium in der Kabine bekommen, einfach schläfrig und wenig dominant. Sie sind auch weniger als die Leverkusener gelaufen, Schnelligkeit und Bissigkeit der ersten HZ waren komplett weg. Schade.

  2. Wie immer eine sehr gute Analyse. Wer keine Entwicklung erkennt, sollte überlegen, ob so eine 1. Halbzeit letzte Saison möch gewesen wäre…mal sehen wie es weitergeht.

    P.s. noch etwas kluggeschissen – wie du weisst, spielt Lars Bender bei Leverkusen 😉

    1. Luke: Letzte Saison haben wir sogar 2 solche Halbzeiten am Stück gesehen. Z.B. in Madrid! jetzt sehen wir nur noch eine Halbzeit…. Also , Entwicklung ist klar erkennbar….

      1. Mir geht es eigentlich mehr um die taktische Komponente, weniger um das Ergebnis. Gegen Gladbach im Pokal haben wir mMn nicht viel schlechter gespielt als in Madrid.
        Überlege dir mal wie die Spiele am Ende der letzten Saison aussahen…
        Ich bin da bei Karstens letztem Atrikel, die Entwicklung und Aufräumarbeit ist da. Es bleibt nur die Frage, ob es für Heidel schnell genug geht und ob dies seine Vorstellung (also die erste HZ) von Schalker Fussball sein wird.

  3. Hallo Karsten, vielen Dank für Deine Analyse. Mir macht diesmal Dein Fazit etwas Probleme.
    Ich zitiere Dich: „Schalke spielte eine beeindruckend starke Halbzeit und eine lächerlich passive. Die Frage nach dem Warum kann taktisch aber leider nicht geklärt werden.“ Eigentlich erklärst Du doch alles ganz gut im Absatz vorher. Nur auf taktische Disziplinlosigkeit oder Schläfrigkeit der Schalker, den mangelnden Zugriff aus Spiel zu erklären, scheint mir nicht richtig zu sein.
    Ich denke, dass in beiden Halbzeiten die Taktik vom Leverkusener Trainer Schmidt für das Spiel verantwortlich war. In der ersten Halbzeit macht er den Fehler, das Pressing bzw. Gegenpressing schon extrem weit in der Schalker Hälfte zu organisieren. Womit Matip und Co gut mit klar kommen und der Ball schnell durchs Mittelfeld bis zum Angriff durchgespielt wird. In der zweiten Hälfte wird von Leverkusen etwas später gepresst und zusätzlich spielt Kampl etwas weiter hinten. Der Druck schien mir mehr auf die beiden Schalker 6er zu gehen. Dazu kommen dann noch der personelle Wechsel und die größere Variabilität der Angriffspieler von Leverkusen. Breitenreiter reagiert dann nach gut 15 Minuten mit den Spielerwechseln. In einem „normalen Spiel“ also recht schnell. In diesem Spiel passierte aber in dieser Zeit sehr viel.
    Ich habe recht lange überlegt, ob ich überhaupt was schreiben soll, da Deine Analysen eigentlich immer perfekt sind und man beim Zuschauen in der Kneipe mit furchtbar vielen Bayern-Fans taktische Sachen leicht übersehen kann. Man übersieht ja auch nicht das komplette Spielfeld.
    Ich kann mich an Kommentaren, die den Spielern Schläfrigkeit oder Valiumkonsum unterstellen, nicht so freuen, daher meine Meinung zum Spiel.
    Ich möchte mich aber trotzdem auch für die, diesmal leider wenigen, Kommentare der anderen bedanken, die für mich auch immer sehr interessant sind. Erinnern möchte ich daran, dass gerade ein taktisch sehr gut geführtes Spiel, durchaus für die Zuschauer langweilig sein kann. Ist ja oft so, dass erst nach dem ersten Tor und den damit verbundenen Änderungen im Spiel, der Spass erst richtig los geht.
    Samstag dann in Hannover, wo der „Hannoveraner“ Breitenreiter gegen den sehr unterschätzen Stendel antreten muss.

    1. Hallo Zeitspieler,

      Danke für Dein Feedback. Für mich klingen Schläfrigkeit oder Disziplinlosigkeit auch immer arg nach Ausreden, darum hatte ich selbst offengestanden so meine Probleme mit meiner eigenen Analyse und darum letztlich auch der Satz an dem Du Dich störst.

      Ich hab ich schwer getan mit dem Spiel. Bin voll bei Dir, dass der größere Einfluss hier von Leverkusen ausging, weil die zuerst sehr passiv waren und dann aktiver wurden. Aber an dem Aspekt, dass die 6er unter Druck gesetzt wurden, hab ich mich schon bei den Kollegen von Spielverlagerung irritiert, die ja etwas ganz ähnliches geschrieben haben wie Du hier. Geis und Höjbjerg fand ich nämlich über die gesamte Spielzeit nicht auf der Höhe. Beide waren meiner Meinung nach von Anfang bis Ende unter Druck, konnten sich diesem nie wirklich endledigen und fanden immer maximal die zweitbeste Lösung. Damit will ich gar nicht abstreiten, dass Du und Spielverlagerung recht haben, ich habe es schlicht nicht wahrgenommen.

      Aber so ist das manchmal mit diesen Analysen. Man kann nicht immer alles wahrnehmen und wenn etwas entscheidendes fehlt, können keine richtigen Schlüsse getroffen werden. Ohne in eine Meta-Argumentation verfallen zu wollen, gelobe ich Besserung. 🙂

  4. Hallo Karsten, vielen Dank für Deine Antwort. Wie geschrieben finde ich Deine Analysen sowieso sehr gut und auch so, dass man die gut lesen und verstehen kann, Spielverlagerung habe ich ab und zu gelesen, ist mir aber etwas zu technisch. Bei mir kommt sowieso viel Subjektivität dazu, weil ich auf Matip und Meyer generell nichts kommen lasse und als Sechser wären mir einfach Ayhan und Neustädter lieber. Ayhan hat in Frankurt allerdings auch kein Glück. 2x als Innenverteidiger eingewechselt, 2x ein Tor verschuldet, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

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