Die Halbfeldflanke & Friends Vorstellung der Neuzugänge zur Saison 2021/22. Heute mit Marvin Pieringer von Mischa Tschirwa.

Im Winter 2019/20 war schon einmal ein Spieler des SC Freiburg bei Schalke 04 im Gespräch. Alexander Schwolow sah beim damaligen fünftplatzierten der 1. Bundesliga eine bessere sportliche und finanzielle Perspektive als bei seinem Ausbildungsverein. Laut einigen Berichten waren sich die beiden Parteien schon einig, dass man die Ausstiegsklausel über etwa sieben Millionen Euro nach der Saison betätigen würde.

Ob der Transfer letztendlich daran gescheitert ist, dass Schalke am Ende der Saison 19/20 keine sieben Millionen mehr zahlen konnte oder Schwolow von der Hertha ein besseres Angebot bekam und sich umentschied, ist nicht mehr so wichtig.

Schwolow hatte eine persönlich durchwachsene Saison, in der er zeitweise durch Jarstein ersetzt wurde und sein neues Team spielte deutlich schlechter, als man erwarten konnte. Dennoch dürfte er recht froh darüber sein, nicht noch als letzter auf ein sinkendes königsblaues Schiff aufgesprungen zu sein.

Aktuelle Situation beim SC Freiburg

Anderthalb Saisons später möchte wieder ein Freiburger Spieler zu Schalke 04 wechseln, den man eigentlich ganz gerne im Breisgau behalten würde. Dieses Mal ging es aus Spielerperspektive wahrscheinlich weniger darum, sich finanziell und sportlich zu verbessern, sondern eher um die größere Chance auf regelmäßige Einsatzzeiten bei einer ersten Mannschaft.

Marvin Pieringer, der Topstürmer des SC Freiburg II, geht zunächst auf Leihbasis (mit Kaufoption) zu Schalke 04, um dort seinen nächsten Karriereschritt zu machen. Trotz seines großen Talents kann ihm Streich keine Spielzeit bei der ersten Mannschaft in den nächsten Jahren versprechen. Mit Petersen, Höler, Jeong, Demirovic und vielleicht einem weiteren Sturmtransfer, ist nur wenig Platz für ihn.

Zusätzlich gibt es mit Kevin Schade (Wandstürmer) und Nishan Burkhart (dribbelnder Stürmer) zwei weitere hochtalentierte Stürmer in der zweiten Mannschaft, die mit den Profis trainieren und auf einen Kaderplatz hoffen. Pieringers Niveau ist genau zwischen denen der beiden Freiburger Teams anzusiedeln. Die dritte Liga mit dem gerade aufgestiegenen zweiten Team wäre nach seiner Leihe nach Würzburg in die zweite Liga ein Schritt zurück und die Bundesliga kommt für ihn ein bis zwei Jahre zu früh.

Die erfolgreiche zweite Reihe Freiburgs wird gerade etwas zerpflückt. Mit Tempelmann, Boukhalfa, Itter und Thiede hat man schon vier Talente in die zweite Liga und nach Fürth verliehen. Herrmann und Faber sind direkt zu Dresden und Regensburg gewechselt. Pieringer reiht sich nun zwischen diese Spieler ein: Leihe mit Kaufoption. Ich habe versucht zu beschreiben, warum es wahrscheinlich Sinn ergibt, Pieringer ziehen zu lassen, und dass man ihm „keine Steine in den Weg legt“, wie im Fußball gerne gesagt wird.

Ein bisschen würde es mich aber schon ärgern, wenn er sich bald bei einem anderen Verein als dem SC Freiburg zu einem Bundesligastürmer entwickelt – und das traue ich ihm durchaus zu. Wäre die Situation beim Sportclub auch nur ein wenig anders, würde man den hochtalentierten Stürmer wahrscheinlich nicht abgeben. Aktuell kann man ihm aber wahrscheinlich wirklich nicht guten Gewissens eine realistische Perspektive aufzeigen. Hier hat es Schalke 04 aktuell etwas leichter.

Entwicklung von Marvin Pieringer

(Ich muss zugeben, dass ich ihn erst im letzten Jahr so richtig beobachtet habe. Davor muss ich auf andere Quellen zurückgreifen.)

Der 1999 geborene Pieringer wechselte 2018 vom SSV Reutlingen zum SC Freiburg II. Von Beginn an wurde er dort von dem erfolgreichen Trainer Preußer, der gerade zu Fortuna Düsseldorf gewechselt ist, eingesetzt. Pieringers erstes Jahr schien nicht so erfolgreich gewesen zu sein. Er machte zwar 30 Spiele, erzielte aber nur 4 Tore und legte 5 weitere auf (im Vergleich zu Hoppes Ausbeute in der Regionalliga West ist das erste Jahr Pieringers aber selbstverständlich schon sehr gut). Im zweiten Jahr, das ab März durch die Pandemie unterbrochen wurde, steigerte er sich nur leicht: 5 Tore und eine Vorlage in 16 Spielen.

In diesen beiden Jahren sahen ihn die Beobachter der zweiten Mannschaft in den Freiburg-Foren eher kritisch. Er war blieb auf dem Platz wohl recht unauffällig. Sein Durchbruch kam dann direkt nach der Corona-Pause – und seitdem geht es steil bergauf.

Von September bis Dezember 2020 spielte er alle 14 Spiele in der Regionalliga Südwest und erzielte dabei 12 Tore. Dadurch wurden andere Vereine auf ihn aufmerksam. Obwohl es bei der zweiten Mannschaft in dieser Saison um den Aufstieg ging, wollte man ihm die Leihe in die zweite Liga nicht verwehren. Pieringer wechselte zum abgeschlagenen Tabellenletzten nach Würzburg.

Mission Wiederaufstieg:
Schalker Neuzugänge 2021

In Würzburg angekommen, wurde er sofort eingesetzt und schoss auch gleich drei Tore in den ersten beiden Spielen. Nach diesem Start wurde selbst Streich auf einer Pressekonferenz für die Bundesliga auf Pieringer angesprochen. Streich antwortete, dass er von dessen Erfolg nicht überrascht gewesen sei. Zwar ließe sich diese Torquote nicht aufrechterhalten, aber durch das Training von Pieringer bei den Profis, wisse Streich, dass er ein wirklich guter Stürmer ist. Streich behielt recht. Die Torquote ließ sich nicht aufrechterhalten.

Es wurden am Ende 6 Tore und 2 Assists in 20 Spielen. Aber das ist nicht zu unterschätzen, weil er erstens überhaupt keine Vorbereitung mit dem Team hatte und zweitens Würzburg insgesamt kaum Tore erzielte. Es waren in diesen 20 Spielen eben nur 22 Tore, Pieringer war also an über einem Drittel davon beteiligt. Schon alleine diesen Zahlen nach ist das Schalker Interesse also durchaus verständlich.

Der Spielertyp

Pieringer ist insbesondere ein Strafraumstürmer mit einer beeindruckenden Torquote. Seine Abschlusstechnik mit Kopf und Fuß ist gut und er wirkt dabei für sein junges Alter schon sehr überlegt und unaufgeregt. Mit seiner Quote in Würzburg wäre er nach 34 Spieltagen immerhin schon knapp über der Marke des 10-Tore-Stürmers in der 2. Liga – und das beim Tabellenletzten.

Was die Arbeit gegen den Ball angeht, wurde er wohl gut von Preußer ausgebildet. Bei seinem Anlaufverhalten scheint Pieringer sich seines Deckungsschattens bewusst zu sein, wodurch er wenige unnötige Wege Läufe macht, Passwege verschließt und sauber Druck auf die Innenverteidiger aufbaut. Die Intensität im Anlaufen, die beosnders psychologische Wirkung hat, war nicht besonders auffällig. Vielleicht hat das aber auch an den Würzburger Trainervorgaben gelegen.

Neben diesen beiden hervorragenden Eigenschaften, gibt es aber auch Gründe, warum Pieringer zu seiner Anfangszeit beim SC Freiburg II von einigen Fans kritisch gesehen wurde, die man auch bei Würzburg noch beobachten konnte. Wie für einen Strafraumstürmer typisch, gab es Spiele, in denen er kaum auffiel. Er ist weder der optimale Wandspieler, der 70% aller langen Bälle festmacht, noch der dribbelnde Stürmer, der durch Einzelaktionen beeindruckt, noch der Spielertyp, der sich als Stürmer stark ins Kombinationsspiel mit einbindet.

Ohne Strafraumaktionen, die eher von anderen eingeleitet werden müssen, fällt Pieringer nicht besonders auf. Sollte Schalke 04 also in der zweiten Liga gegen oft tief stehende Gegner Probleme haben, Chancen zu kreieren, wird Pieringer diese wahrscheinlich ebenso wenig lösen können wie Terodde.

Zweierlei Fazit

Möchte man zunächst ein Fazit zum Spieler ziehen, so ist aus den beiden vorherigen Beschreibungen (Pieringers Entwicklung und der Spielertyp Pieringer) die erste stärker zu gewichten. Pieringers Entwicklung ging im letzten Jahr so steil nach oben, dass man ihm durchaus zutrauen kann, sich in Bereichen zu verbessern, die bisher noch nicht so zur Geltung kamen.

Vielleicht entwickelt ihn Grammozis zum tororientierten Dribbler oder zum Kombinationsspieler. Die Zukunft bleibt offen. Und wie weit diese Entwicklung noch geht, ist im Positiven wie im Negativen kaum abzusehen. Die individuell erfolgreiche halbjährige Leihe nach Würzburg konnte einen aber tendenziell optimistisch stimmen. Zum Fazit bei Schalke.

Wenn ich nichts verpasst habe, gibt es in Gelsenkirchen nun vier Stürmer für die kommende Saison: Hoppe, Kutucu, Terodde und Pieringer. Die ersten beiden sind eher Stürmertypen, die hinter die Kette starten, die letzteren beiden eher klassische Strafraumstürmer. Ich würde aber Pieringer und Terrode als etwas wichtiger ansehen. Hoppe und Kutucu werden ihre Schnelligkeit nur selten ausspielen können. Das hat auch ein Silas in der zweiten Liga nicht geschafft.

Es ermöglicht aber auch flexible Zwei-Stürmer-Systeme. So oder so hat man jeweils zwei Optionen bei je zwei Stürmertypen, was eine Abhängigkeit von Formkrisen, Verletzungen und anderen Unwägbarkeiten enorm vermindert. Das sieht auf den ersten Blick nach einer gelungenen Kaderplanung bei der Besetzung des Sturms aus.

Geschrieben von Mischa Tschirwa

Mischa Tschirwa betreibt den Blog Zerstreuung Fußball auf dem er regelmäßig eigene Texte zu Spielen des SC Freiburg veröffentlicht. Man findet dort aber auch Texte zur allgemeinen Lage der Bundesliga oder Texte zu politischen Themen rund um den Profifußball. Er ist auch auf Twitter aktiv (teilweise Inhalte zur 2. Liga) und über Facebook erreichbar. Er ist Mitglied beim Freiburgpodcast Spodcast Freiburg.

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