Spitzenreiter! Schalke steht nach dem 29. Spieltag der 2. Männerbundesliga auf dem ersten Platz. Auf dem Konto stehen nach einem 3:0 Heimsieg gegen den 1. FC Heidenheim 53 Punkte und das beste Torverhältnis der Liga. Ganz so ungefährdet, wie das Ergebnis vermuten lässt, war der Sieg jedoch nicht. Schalke brauchte eine Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit und Ko Itakuras magischer Moment in der 52. Minute war auch sehr willkommen. Ein Blick aufs Spiel anhand einzelner Szenen.
Die Aufstellungen
Heidenheim ist unter seinem Trainer Frank Schmidt für taktische Disziplin und kluge Anpassungen an den jeweiligen Gegner bekannt und beendete in dieser Saison u.a. schon die Bremer Siegesserie (mehr dazu bei der Deichstube). Dementsprechend schwer tat sich der S04 vor allem in Halbzeit eins. In der Grundaufstellung wählte Interimscoach Mike Büskens ein 4-2-3-1, das situativ auch mal zu einem 4-2-2-2 wurde. Die Gäste aus Heidenheim schickten dagegen eine 4-1-4-1-Formation, gegen den Ball war das häufig eher ein 3-4-2-1. Isoliert betrachtet sahen die Aufstellungen also so aus wie auf dem ersten Bild hier.
Thomas Ouwejan (mal wieder die Wade) und Marius Lode (positiver COVID-19-Test) fielen kurzfristig aus, stattdessen starteten Çalhanoğlu und Matriciani auf den beiden Außenverteidigerpositionen. Ko Itakura rückte wieder eine Station weiter vor ins defensive Mittelfeld neben Danny Latza. Außerdem kam Rodrigo Zalazar zurück in die Startelf, Florian Flick saß zunächst auf der Bank. Beim 1. FCH gab es zum vorherigen Spiel nur eine Veränderung, da kam nämlich der rechte Verteidiger Busch zurück in die Startformation.
Zu wenig Bewegung
Beispielhaft für Schalkes schwache erste Halbzeit und gleichzeitig Heidenheims gute Leistung waren die 8. und die 9. Spielminute. Schalke verbrachte fast die gesamte 8. Spielminute damit, einen Ansatz zu suchen, um sich durch das Mittelfeld hindurch zu spielen. Die vorderen drei Spieler Heidenheims machten das Spiel für Latza, Itakura und Zalazar aber immer wieder extrem eng. Kamiński und Thiaw spielten sich in der Innenverteidigung immer wieder den Ball zu und suchten dann Latza oder Itakura, die aber so unter Druck gesetzt wurden, dass oft nur der Pass zurück blieb.
Drexler und auch Bülter ließen sich hin und wieder zurückfallen, dann fehlte aber die gegenläufige Bewegung, also dass ein anderer Spieler aus dem Mittelfeld nach vorn stach, um eine dynamische Anspielstation zu bieten. Zalazar reagierte mit seinen Bewegungen meist zu spät und hing deshalb in der Luft.
So blieb irgendwann nur noch der lange Ball und das gezielte Aufrücken, um über ein hohes Pressing für Gefahr zu sorgen. Heidenheim bekam die Situation aber verteidigt, schlug den Ball lang raus, Thiaw klärte gegen Kleindienst zum Einwurf. So weit, so gut. Aber dann ging alles ein bisschen zu einfach. Theuerkauf wirft ein, Mohr spielte einen langen Ball auf die andere Seite des Spielfelds zu Busch. Schalke brauchte zu lange zum Verschieben der eigenen Abwehr, Busch spielte steil auf den komplett freien Schöppner. Fraisl parierte und klärte dann Kleindiensts zweiten Versuch spektakulär.
Verteidiger und Mittelfeldspieler sahen in der Situation hingegen nicht gut aus. Çalhanoğlu und Latza hätten sich bei dem langsamen Seitenwechsel besser positionieren können, am besten aber verhindert man diesen Pass, Mohr hatte in der Situation gar keinen Gegenspieler bei sich. Solche Szenen, aus denen ein Angriff mit mehr Kaltschnäuzigkeit viel mehr herausgeholt hätte, gab es auf Heidenheimer Seite häufiger.
Im Gegensatz dazu brauchte Schalke in der ersten Hälfte zur 1:0 Führung nur eine einzige Chance – und die war eigentlich gar keine. Hüsing verlängerte einen langen Ball unglücklich genau auf Drexler (eine Abseitsstellung, wäre der Ball nicht von einem Heidenheimer gekommen) und der hob den Ball per Kopf geschickt über Torhüter Müller (35.).
Mehr Platz in Halbzeit zwei
In der zweiten Halbzeit veränderte sich das Spiel. Heidenheim wechselte zweimal: Kühlwetter und Leipertz kamen für Malone und Schöppner, die Gäste stellten um auf ein 4-4-2. Schalke kam unverändert zurück auf den Platz. Durch die offensivere Ausrichtung des FC, der jetzt auch höher anlief, bekam Schalke mehr Druck in der eigenen Hälfte, aber auch mehr Platz im Mittelfeld und für Gegenangriffe.
Außerdem war Zalazar jetzt viel aktiver und bot immer wieder Läufe in die Tiefe an, zog so auch mal einen Gegenspieler mit sich. Die Partie war jetzt insgesamt zerfahrener im Vergleich zu der relativen Ordnung in weiten Teilen der ersten Hälfte. Mittendrin gelang Drexler und Itakura in der 52. Minute das 2:0.
Beschreibung eines Zauberstücks
Die Szene beginnt mit einer Aktion, die so richtig nach hinten hätte losgehen können. Kamiński fängt in Schalkes Hälfte auf der linken Seite einen Ball von Kühlwetter ab, unser Verteidiger wird angelaufen und hat nicht viel Zeit. In der Mitte fordert Itakura den Ball, zwei Gegenspieler sprinten in dem Moment auf ihn zu, einer von ihnen – Robert Leipertz – kommt von hinten. Ko hat ihn vorher durch einen schnellen Schulterblick gesehen. Kamiński spielt den Pass. Leipertz grätscht in den Ball, aber Itakura dreht sich so weg, dass er nicht gefoult wird und der Ball landet beim entgegenkommenden Drexler fast genau am Anstoßpunkt.
Drexler dribbelt nach vorn, blickt immer wieder rechts raus, wo er den sprintenden Itakura sieht. Aber er wartet ab, bindet drei Spieler auf sich, während Terodde und Bülter den Sechzehner besetzen. An Strafraumkante will gerade ein vierter Verteidiger zu Drexler dazu kommen, für ihn der Moment auf den komplett freien Itakura im rechten Strafraumeck zu passen.
Der geht ein paar Schritte und täuscht eine Flanke an, der herbei geeilte Tobias Mohr will blocken und rutscht durch Itakuras Drehung ins Leere. Der japanische Nationalspieler macht ein paar kurze Schritte vom Tor weg, Theuerkauf versucht einen vermeintlichen Querpass zu blocken und läuft bei Itakuras erneuter Drehung ebenfalls ins Leere. Dann folgt der Schuss, Oliver Hüsing versucht sich im letzten Moment dazwischen zu werfen, der Ball geht genau durch seine Beine. Es steht 2:0 und alle eskalieren.
Den Tag nicht vor dem Abend loben
Heidenheim ließ sich von diesem weiteren Gegentreffer nicht beirren und spielte weiter ein hohes Pressing, Schalke spielte leider auch noch den einen oder anderen naiven Pass mehr. Nur fiel danach (zum Glück) nicht jedes Mal ein Tor. Heidenheim ging mit seinen Chancen verschwenderisch um. In der 63. Minute hatte Schalke zum Beispiel Glück, dass das vermeintliche Anschlusstor wegen einer Abseitsstellung nicht gegeben wurde. Fraisl rettete mehrmals, brachte sich und die Schalker Mannschaft aber auch hin und wieder in unnötige Probleme, am Ende spielte er zum achten Mal in dieser Saison zu null.
Mehr eigene Chancen hatte Schalke erst wieder ungefähr ab der 80. Minute. Inzwischen waren Churlinov und Flick für Zalazar und Latza auf dem Platz, später in der Nachspielzeit kam noch Idrizi für Drexler. Das Schalker Spiel war jetzt wieder zielgerichteter. Es fiel außerdem auf, dass die Kraft auch bis in die 96. Minute reichte, da wurde in den beiden Vorbereitungen offensichtlich gut gearbeitet. Ach ja, und natürlich kommt kaum ein Schalker Sieg ohne ein Tor von Simon Terodde aus.
Der Torjäger musste dieses Mal lange warten, bis Blendi Idrizi ihn in der 6. Minute der Nachspielzeit mit seinem Heber hinter die Abwehrkette fand. Heidenheim hatte über das Spiel gut dafür gesorgt, dass er kaum zu Abschlüssen kam. Für ein Kopfballtor und anschließenden Buyo-Jubellauf reichte es aber auch so. Schalke war durch das gleichzeitige 1:1 von St. Pauli gegen Bremen Tabellenführer, so richtig aussprechen ließ sich das aber erst am Abend, nachdem Nürnberg mit 3:1 gegen Darmstadt gewonnen hatte.
Wie es weitergeht
Vor ein paar Wochen war Schalke im Stimmungstief, jetzt sieht die Lage ganz anders aus, obwohl sich sportlich erstmal nicht so viel getan hat. Unter der Woche taten Verein und Verantwortliche wirklich alles, um das Schalker Umfeld auf einen gemeinsamen Kurs einzuschwören. Büskens‘ Pressekonferenzen sind sowieso Streicheleinheiten für Herz und Kopf (letzteres wird, vielleicht durch den „Ruhrgebiets-Sound“, gerne mal unterschätzt), mit ihm und Rouven Schröder haben sich zwei gesucht und gefunden.
Vom 12. Mann in der Startelf war die Rede und wenn man sich anschaut, was für ein wirkliches Team seit Monaten auf dem Rasen steht, ist das mehr als nur eine Metapher für die Nähe der Fans. Spielerisch-taktisch gibt es sehr viel Arbeit zu erledigen. Hoffnung macht, dass die anderen da oben sich nicht nur hinten reinstellen werden, da könnte es durchaus das ein oder andere offene Spiel geben. Das ist dann vielleicht wieder weniger gut fürs Herz, aber wer darauf achtet, ist sowieso beim falschen Verein.