“Das Spiel dauert 90 Minuten”, Sepp Herbergers berühmtes Zitat, das schon so häufig in der Champions League für Frust sorgte, schlug diesmal auch Schalke ins Gesicht. Der deutsche Underdog war nur 5 Minuten vom Sensationssieg gegen die beste Mannschaft der Welt entfernt. Gucken wir uns mal an, wie es dazu kam…

The English version of this text can be found here: The game lasts for 90 minutes.

Die Grundformationen zu Spielbeginn.

Himmelblau

Der Scheichklub überraschte (zumindest im Vergleich zur Vorschau von The False Fullback) mit einer 3er Kette und einer Doppel-6. Dabei setzte Guardiola, für den Formationen ja nicht viel mehr als Telefonnummern sind, zuletzt fast ausschließlich auf ein 4-1-4-1. Allerdings bekleidete Fernandinho eine Art Doppelrolle, in der Defensive kippte er in die 3er Kette ab, und es ergab sich besagte Formation mit 4er Kette. Die Doppel-6 blieb dann aber meist bestehen, da Kevin De Bruyne dann oft auf die Position neben İlkay Gündoğan zog. Es ergab sich also ein klassisches 4-4-2.

Dies wechselte aber gelegentlich, in der Zeit zwischen den ersten beiden Toren und nach der roten Karte stand die 4er Kette durchgängig, dazwischen wurde die 3er Kette hauptsächlich aufgetragen. Guardiola wollte entsprechend die Abwehr durch die 4er Kette stärken, bzw. das Spiel nach vorne befeuern.

Ansonsten zeigten sich die Citizens mit dem altbekannten Problem gegen Teams, die den 10er Raum, also den Bereich vor dem gegnerischen Strafraum, abriegeln. Besonders wenn der 6er eng gedeckt wird, was einer der Gründe für die Doppel 6 gewesen sein dürfte. Schalke hat zuletzt einen ganz ähnlichen Move vorgemacht. Manchester zeigte darüberhinaus im Bespielen der tiefen Schalker viele Bewegungen, kreuzen und rotieren, um die Schalker defensive zu irittieren, auseinander zu ziehen und löcher zu reißen. Gelingen wollte das allerdings nur selten.

Aber insgesamt ist schon verständlich, warum so viele vom besten Team der Welt sprechen. Pep Guardiola hat Manchester City unfassbar gut organisiert. Geschwindigkeitswechsel und Abläufe erfolgten blind. Dabei war fast egal, welcher Spieler sich gerade wo auf dem Feld aufhielt, immer waren die Bewegungen perfekt aufeinander abgestimmt.

Königsblau

Der Kumpel und Malocherklub überraschte dagegen mit einer Couragierten Vorstellung und viel Mut. Tedesco sprach nach dem Spiel davon, dass der Spielverlauf zum ersten Mal in dieser Saison zu Schalke in die Karten spielte. Doch das war eben nicht nur Glück, sondern ruhig und diszipliniert erarbeitet.

Schalke baute sich in einem 5-4-1 auf, mit Mark Uth als Spitze. Die Doppel-6 Bentaleb und Serdar suchte die Verbindung zur eigenen Abwehr, machte es sich aber auch durchgängig im gegnernischen 8er Raum gemütlich. Die Flügelstürmer McKennie und Mendyl gaben breite, sollten Räume besetzen und (besonders letzterer) bei Umschaltsituationen direkt nach vorne um die Sturmspitze zu unterstützen. De Facto fand Mendyl nie wirklich ins Spiel, strahlte aber durch seine Position und Geschwindigkeit immer Gefahr aus. Potenziell zumindest. McKennie war dagegen einer der Aktivposten und übte aktiv Druck auf die Gäste aus.

Schalke mit Mut…

Über die Gesamte Spieldauer hinweg dominierte Manchester City das Spiel klar. 66,5% Ballbesitz (in der zweiten Halbzeit bis zur roten Karte sogar 74,1%) sprechen da eine deutliche Sprache. Allerdings hatten sie arge Probleme dabei den Ballbesitz in Zählbares umzumünzen.

Dabei ging das ganze recht gut los. City kombinierte und Schalke gab sich Mühe nicht früh in Rückstand zu gelangen. Das Pressing funktionierte von Anfang an recht stabil, Königsblau ließ sich aber ein bisschen Zeit zum eingrooven. Risiko-Minimierung war klar die Devise.

Nach etwa 10 Minuten wurde Schalke dann mutiger und stieß immer wieder nach vor. Nach vorne Verteidigen, sagen Trainer in der Bundesliga gerade gern. Schalke baute Druck auf, schob vor und presste höher. Oft wurde hoch angepresst, sobald die erste Linie durchbrochen war zog sich Schalke dann aber komplett in die eigene Hälfte zurück. Dabei schafften die Knappen es City durchgehend unter Druck zu setzen. Fast die gesamte erste Halbzeit über schnürte Schalke die Gäste zu und ließ sie gar nicht erst zu ihrem Spiel kommen. Viele Bälle wurden abgefangen oder Angriffe mussten schon früh abgebrochen werden.

… aber schwachen Kontern

Das Pressing und auch das Gegenpressing funktionierten wirklich gut. Besonders letzteres war wichtig, da die Angriffe ihrerseits häufig von Manchester abgefangen wurden. Das ist ein generelles Problem von Schalke 04 in dieser Saison: Die Defensive ermöglicht Kontersituationen, die werden aber derartig stümperhaft vorgetragen, dass darauf kaum echte Torchancen generiert werden können. So auch hier. Kaum ein Konter der gut ausgespielt wurde. Die meisten verkümmerten in irgendwelchen Weitschüssen oder wurden so lange verzögert, weil auf Unterstützung gewartet werden musste, bis der Gegner Überzahl herstellen konnte.

Dabei fehlte es gar nicht am Personal, sondern hauptsächlich an der Abstimmung. Nicht selten waren die Offensivakteure leicht zu isolieren oder Konter endeten in einem Akt der Verzweiflung. Auch mangelte es eigentlich nicht an Gelegenheiten. Nach dem 0:1 war Schalke mit schlichter Regelmäßigkeit dabei die Engländer zurück zu drängen oder zu überrumpeln. Die beiden einzigen Torschüsse Schalkes sollten aber die beiden Strafstöße bleiben.

City erhöht den Druck

Nach den Strafstößen in Rückstand geraten kam Manchester mit reichlich Druck aus der Kabine. Deutlich zielstrebiger setzen sich die Gäste jetzt in der Schalker Hälfte fest. Dabei ergab sich oft eine Formation mit einer Stoßspitze, zwei 4er Reihen dahinter und nur einem Verteidiger zur Absicherung in der eigenen Hälfte. Die 9 Spieler sorgten dabei für mächtig Wirbel und versuchten den Schalker Abwehrblock im 5-4 aufzubrechen.

Zwar gab es Teilerfolge, die starke Schalker Endverteidigung hielt im Großen und Ganzen aber stand. Gleichzeitig wurden die Offensivbemühungen jetzt fast komplett aufgegeben. Die wenigen Kontersituationen wurden in erster Linie als Verschnaufpausen genutzt. Aber viele gab es davon nicht. Schalke hatte kaum Gelegenheit für Entlastung zu sorgen. Bis bei einem dieser Versuche Nicolás Otamendi zu hart einstieg und vom Platz gestellt wurde.

11 gegen 10

Schalke war jetzt also in Überzahl. Damit änderte sich so einiges. Der Ballbesitzanteil gleichte sich stark an (Schalke von 25,6% auf 47,1%) und City saß jetzt tief. Im 4-4-1 versuchten sie dicht zu halten und zu Kontern. Dafür kam auch Dampfdribbler Leroy Sané (Story) aufs Feld.

Schalke dagegen wollte Ruhe bewahren, Ball und Gegner laufen lassen. Falls sich die Gelegenheit ergäbe noch ein Tor zu schießen, gern. Das Motto der Risiko-Minimierung zeigte aber erstmal auf den jetzt sicher geglaubten Sieg nicht gefährden. Naja und dann kommt halt die 85. Spielminute, ein fabelhafter Freistoß und ein großartig ausgespielter Konter. Das Spiel hat nunmal 90 Minuten.

Risiko-Aversion

Tedescos Ansatz zur Vermeidung von Risiken hat Schalke auf die richtige Spur gebracht. Nur so konnte Manchester City (dem großen Manchester City!) Einhalt geboten werden. Nur so konnte Schalke in Führung gehen, trotz eines unnötigen Gegentors.

Doch sobald Schalke auf die Siegerstraße einbiegt führt Tedescos Risiko-Aversion dazu, dass er auf halten spielt. Seit Amtsübernahme auf Schalke ist das so. Und in der Vorsaison ist Königsblau so auch mit Abstand zum Vizemeister geworden. Aber selbst da wurden zum Teil Punkte hergeschenkt, weil Schalke nach einem 1:0 die Offensivbemühungen einstellte und sich auf die Defensive konzentrierte.

Das ist in dieser Saison nicht anders. Und es funktioniert, bei Führung gewinnt Schalke fast immer. Wenn allerdings nicht, dann sieht das ganz schön doof aus. Nachlegen wäre so viel souveräner und mitreißender, birgt aber natürlich ein gewisses Risiko.

Tedesco wird diese Risiko-Aversion oft zum Vorwurf gemacht. So auch hier. Hätte er in Überzahl nachgelegt, wäre nicht viel passiert. Interessanter Weise zeigen gerade die beiden Tore das der Ansatz gar nicht verkehrt ist. Beide Tore fallen nach Situationen, die Tedesco eigentlich vermeiden will. Hätte Schalke wie vom Trainer gefordert tatsächlich auf Ergebnis halten gespielt, wäre Schalke als Sieger vom Platz gegangen.

Jetzt ist das Lazarett ein bisschen voller geworden und Schalke muss in England mindestens 2 Tore schießen und gewinnen. Easy peasy.