Halbfeldflanke versucht ja immer zu verstehen, warum etwas so ist wie es ist, oder warum es passiert wie es passiert. Typischer Weise geht es dabei um das, was bei Schalke so auf dem Platz passiert. Zur Zeit passiert auf dem Platz bei Schalke aber nicht viel, was ein Problem ist und zum Anlass genommen wurde laut (sehr, sehr laut) über Trainerwechsel nachzudenken. Warum ist das so?

Selbstverständlich ist das Kernziel natürlich eine Besserung dessen was auf dem Platz passiert, mehr Punkte auf dem Konto zu haben. Gleichzeitig stellt so ein Trainerwechsel aber natürlich auch einen großen Einschnitt dar. Leichtfertig passiert sowas sicher nicht. Also seien wir mal rational und suchen nüchtern nach Gründen für einen solchen Schritt.

Hinweis: In diesem Text geht es bei Trainerwechseln um solche innerhalb einer Saison auf Grund von ausbleibendem sportlichen Erfolges.

Das Sportliche

Die Hoffnung, dass ein Trainerwechsel sportliche Besserung bringt wird allgemein als Hauptgrund angegeben. Weil Trainerwechsel in Krisensituationen ja aber schon eine gewisse Tradition haben, gibt es genug Daten um das zu untersuchen. Und tatsächlich gibt es Haufenweise Studien zum Thema. Es werden Unterschiedliche Ligen betrachtet und unterschiedliche Zeiträume, es werden unterschiedliche Messmethoden genutzt und unterschiedliche Aspekte beleuchtet. Die Kernaussage, um gar nicht erst Spannung aufkommen zu lassen, ist immer die gleiche: Null Effekt [1].

Aber der Reihe nach. Die Studien funktionieren meist nach dem gleichen Muster, es wird geguckt wie gut eine Mannschaft eigentlich sein sollte und das mit realen Ergebnissen verglichen. Häufig werden dafür Wettquoten rangezogen. Buchmacher haben gemeinhin einen ganz guten Blick auf Leistungsvorhersagen.

So gibt es Studien die Trainerwechsel vorhersagen können. Das folgt nämlich meist einem typischen Muster: Von Saisonbeginn an wird unter den Möglichkeiten geliefert. Schlechtere Ergebnisse als zu erwarten war. Dann kommt in der Krisen-Saison irgendwann noch die Mega-Krise, zwei Spiele mit krass schlechten Ergebnissen und der Trainer wird entlassen [2]. Erinnert mich sehr an die Schalker Karnevals-Krise.

In Studien werden solche Situationen dann mit welchen verglichen, in denen das Team ebenfalls hinter den Erwartungen zurückblieb, der Trainer aber nicht gewechselt wurde. Die sogenannte Kontrollgruppe.

Forschungsergebnisse sind eindeutig

Zunächst die Bestätigung, wenn ein Trainer nach einer solchen Mega-Krise gewechselt wird, bessern sich die Ergebnisse deutlich und signifikant. Die Hoffnungen werden also erfüllt. Der Blick auf die Kontrollgruppe sorgt allerdings für Ernüchterung. Denn auch hier bessern sich die Ergebnisse deutlich. Interessanter Weise ist praktisch kein Unterschied erkennbar zwischen den Ergebnissen von Teams mit Trainerwechseln und der Kontrollgruppe ohne.

Gründe dafür sind einfach: Auch Pechsträhnen halten nicht ewig. Wenn eine Mannschaft hinter den Erwartungen zurück bleibt sind die Gründe dafür sehr vielschichtig. Da spielt entsprechend der Zufall eine sehr große Rolle. Ob also ein neuer Trainer an Stellschrauben dreht oder aber der selbe (auch wenn es die immer gleichen sind), der Effekt bleibt der gleiche.

Bemerkenswert ist dabei, dass dies alles nicht neu ist. Trainerwechsel während der Saison werden schon lange Wissenschaftlich untersucht. Aus der Bundesliga gibt es etwa Forschungsergebnisse schon seit den 70ern[, die keinen Effekt erkennen können. Es müsste also gemeinhin bekannt sein.

Allerdings hat die Tatsache, dass sich nach Trainerwechseln meist bessere Ergebnisse einstellen, einen Einfluss auf die Wahrnehmung. Denn solche Fälle bleiben lebendig in Erinnerung und damit überbewertet. In der Psychologie wird das Verfügbarkeitsheuristik genannt. Ein Einschätzungsfehler der Wahrscheinlichkeit durch Verfügbarkeit ersetzt.

Ein Beispiel: Ich kann mich an viele spektakuläre Tore von außerhalb des Strafraums erinnern, also wird das schon recht wahrscheinlich sein, von da Tore erzielen zu können. Ist es aber nicht, im Schnitt ist etwa nur jeder fünfzigste (in Zahlen 50!) Torschuss von außerhalb des Strafraums im Tor.

Das Politische

Sportlich gesehen macht es also überhaupt keinen Unterschied den Trainer zu wechseln oder zu behalten. Ökonomisch entsprechend schon (Aufwand, Bezahlung, etc). Trotzdem wird das immer wieder gemacht. Rational betrachtet ist das schlicht falsch. Da aber Menschen beteiligt sind, ist die Ratio nicht der einzige Gradmesser.

Auf den Zufall zu vertrauen wirkt bizarr. Nichts zu ändern und trotzdem besser zu werden scheint unlogisch. Dazu braucht es noch viel Geduld. Fußball ist ein Ergebnissport und schlechte Ergebnisse auszuhalten scheint entsprechend nicht zielführend. Also sollte besser eingegriffen werden, das Heft des Handelns in die Hand genommen und der Stier bei den Hörnern. Selbstbestimmung, das wissen wir, ist immer besser als passivität.

Allerdings glauben wir nur das zu wissen. Sämtliche Studien belegen das Gegenteil. Stattdessen werden wir Opfer vom Verlust der eigenen Geduld. Beim professionellen Fußball geht es in erster Linie um Emotionen. Der professionelle Fußball ist ein Geschäft, mit dem, emotional aufgeladen, viel Geld verdient werden kann. Große Teile der Fanlager von Clubs gehören zu eben diesen Fanlager auf Grund des Images und der Gemeinschaft des Clubs. Der reine Fußball spielt eigentlich eine Nebenrolle, auch wenn das nur den wenigsten so bewusst ist.

Es geht also mehr um Emotionen als um Fußball. Und in Krisensituationen kochen Emotionen nunmal oft über und werden zu handfesten Frustrationen. Und wer frustriert ist, dem fehlt eben jegliche Geduld. Es setzt eine Art Stresszustand ein, die Wahrnehmung wird beschnitten und der Drang etwas zu ändern um der Situation zu entkommen verschärft sich. Das ganze wird durch ein Gefühl der Machtlosigkeit verschärft. Die anderen machen ja einen murks, obwohl ich selbst hier doch alles gebe.

Sowas kommt von sowas

Oft ist bei der Fanbasis der Grad an Frustration schnell hoch. Der Grund ist die fehlende Transparenz. Wie es im inneren der Mannschaft und im engsten Kreis drumrum aussieht, ist von außen nicht einsehbar. Die Details tragen aber bei den Beteiligten, die eben jene Transparenz haben, dazu bei, besser die Ruhe bewahren zu können.

Gruppen können sich emotional aber selbst verstärken und so hochschaukeln. So entsteht in der passenden Situation und nach genügend Zeit (etwa eine Saison die deutlich unter den Erwartungen zurück bleibt und ein paar Spiele Mega-Krise) der sprichwörtlich wütende Mob. Und so sieht sich die Sportliche Leitung plötzlich in einer Situation in der die Masse fordert aktiv zu werden, weil dringend etwas geändert werden müsse und es so nicht weiter gehe.

Damit ist es ein Politikum. Niemand will sich nachsagen lassen nicht alles probiert zu haben, auch in dem Wissen, dass dinge zu Probieren fast nie etwas nutzen. Manager haben sorge um ihren Posten und um das Gesamtkonstrukt, was wiederrum zum Geduldverlust führt und häufig zum Trainerwechsel.

Aber ist das schlimm?

Der Fußball lebt von den Emotionen und ist keine reine Ökonomie. Dass es sinnvoller ist einen Trainer nicht während einer Saison zu entlassen, ist wissenschaftlich bewiesen. Die Fanseele will sich aber nicht in Geduld üben. Der Fußball ist für viele eine Ablenkung vom Alltag, in dem oft genug darum geht geduldig zu sein.

Der Fußball ist ein Unterhaltungsprodukt und kein rationales Geschäft. Es geht eben nicht darum, den best möglichen Fußball zu spielen oder Erfolgreich zu sein, sondern die Massen zu bespaßen. Und für viele gehört die gepflegte Pöbelei zum Fußball dazu. Solange dabei niemand in Mitleidenschaft gezogen wird, ist das vermutlich auch okay.

Manchmal sind Personalien verbrannt, der Abgrund zwischen Club und Fanbasis, die ja nunmal der Emotionale Motor ist, wird unüberbrückbar. Um den wichtigen Seelenfrieden wiederherzustellen sind Trainerwechsel und andere Personalentscheidungen manchmal notwendig, auch wenn sie wenig rational sind.

Es ist ein eingespielter Mechanismus, dass der Trainer in soeiner Krisensituation gewechselt wird. Das gehört dazu. Ich persönlich kann das akzeptieren, fremdele aber damit.


Dieser Text war fertig bevor ich von der Ablöse Domenico Tedescos gehört habe. Viel geändert hat sich danach nicht.

[1]       L. M. Besters, J. C. Van Ours, and M. A. Van Tuijl, “Effectiveness of In-Season Manager Changes in English Premier League Football,” Economist (Leiden)., vol. 164, no. 3, pp. 335–356, 2016.

[2]       A. Heuer, C. Müller, O. Rubner, N. Hagemann, and B. Strauss, “Usefulness of Dismissing and Changing the Coach in Professional Soccer,” PLoS One, vol. 6, no. 3, pp. 1–7, 2011.

6 Replies to “Trainerwechsel im Fußball… warum?!

  1. „Sportlich gesehen macht es also überhaupt keinen Unterschied den Trainer zu wechseln oder zu behalten.“

    Aber nun ist der Trainerwechsel, oder diesen zu behalten, kein Zufallsereignis sondern eine bewusste Entscheidung. Also ist das statistische Ergebniss der Studie zumindest davon überlagert. Ich würde hier sogar von einem statistischen Bias sprechen. Statistisch kann man das ganze nur betrachten wenn man annimmt, das ein Trainerrauswurf rein zufällig stattfindet oder eben nicht. Mit anderen Worten: ist die Aussage der Studie vielleicht auch, dass richtig Entscheidungen vom Management getroffen werden, sei diese nun Rauswurf oder Festhalten?

    1. Haha, guter Punkt. Eine schöne Kontrollgruppe wäre die von Vereinen, bei denen es unerwartet sehr gut läuft, die dann noch zwei überaus positive Resultate erzielen (etwa ein 7:0 gegen Manchester City) und dann den Trainer entlassen. Ich fürchte, man wird nicht genügend Fallbeispiele in relevanter Anzahl bekommen.

      Ich glaube, die Studie ist so zu verstehen: Wenn beim Münzwurf 10mal Werfen mehr als 8 mal Zahl rauskommt, dann bitte einen Schnaps trinken. Dann weiter werfen. Ich wette Schnaps trinken verbessert die Ergebnisse signifikant in Richtung Kopf. Also nachweisbar richtige Maßnahme.

  2. Wow, die Conclusio von Besters et al. ist aber sehr spannend:
    „The fourth possible
    reason is that dismissal is simply the destiny of a manager. The position of a manager
    has once been invented such that a manager gets the blame for disappointing results
    and not the club-owner (Carter 2006, 2007).
    Thus, managers seem to be sacked due to reasons outside of their influence, functioning as scapegoats. In management literature this is found to be the case after
    bad performances (e.g. Khanna and Poulsen 1995) and might be an optimal strategy,
    together with the appointment of an outside successor, in the aftermath of wrongdoing (Gangloff et al. 2016).
    […]
    We have found that performances
    develop irrespective of the manager in charge, which is in line with the doubts of
    Kuper and Szymanski (2010) about the influence of football manager. Apparently,
    extremely high salaries reflect the compensation for job uncertainty rather than the
    compensation for superior quality.“

    Das ist mal eine sehr interessante Alternative zu den gängigen Lesarten.
    Insbesondere „The position of a manager
    has once been invented such that a manager gets the blame for disappointing results
    and not the club-owner (Carter 2006, 2007).“ erinnert mich schon sehr an einen gewissen Clemens T.

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