In der Winterpause wird die Hinrunde Analysiert. Auf Schalke wieder einmal die ersten Monate eines neuen Trainers. Und auch wenn diese Texte hier oft etwas positiv ausfallen und auf Schalke sicherlich nicht alles Gold ist, was glänzt, gab es unter Tedesco bereits ein paar spannende Dinge zu beobachten. Und in kurzer Zeit eine ganze Menge Entwicklung.

Drei Phasen

Wenn Du die Saison in unterschiedliche Phasen einteilen möchtest, dann würde ich diese vorschlagen:

  • Vertikalität
  • Ballbesitz
  • Fluidität

Wohl gemerkt handelt es sich dabei um Schwerpunkt-Themen. Es gibt viele andere Facetten im Spiel, die sich über die gesamte Saison änderten. So wurde etwa das reine Passspiel immer besser und auch das Pressing.

Phase 1: Vertikalität

Schon in der Vorbereitung ging es los, die Aufgabe der Mannschaft war es, den Ball zu erobern und dann so schnell wie möglich in den gegnerischen Strafraum zu bringen (siehe Der Tedesco Code). Dabei variierte die Pressinghöhe zwar, aber nur selten wurde tatsächlich gemauert. Heidel wie auch Tedesco betonen immer wieder gern, dass Schalke nicht mauert, eine halbe Stunde im Spiel gegen Leipzig war da der absolute Höchstwert.

Dagegen spielt Schalke immer ein Mittelfeldpressing (mal höher, mal tiefer) in dem der Gegner aggressiv attackiert wird. Reines anlaufen ist dem Head Coach nicht gut genug. Zweikämpfe müssen gesucht werden, so dass die andere Mannschaft große Schwierigkeiten hat zum eigenen Spiel zu finden.

Die offensive bestand dabei in erster Linie aus Kontern. So schnell und so direkt wie möglich wurde der Ball, gern auch über zwei Reihen hinweg, zu den Flügelstürmern gebracht um diagonal in den Strafraum eindringen zu können. Die einzige Spitze im 5-2-3 fungierte dabei meist als Zielspieler. Die Doppel-6 schaltete sich eigentlich nur ein, wenn der direkte Abschluss nicht funktionierte.

Phase 2: Ballbesitz

Sukzessive verbesserte sich das Konterspiel, den Ball wollte Schalke dabei eigentlich nie haben. Es ging immer nur darum die eigene Vertikalität bestmöglich auszuspielen. Bis beim Spiel in Berlin Schalke plötzlich mit Ballbesitzt auftrumpfte. Plötzlich nur mit einer 6, dafür einer Doppel-8 und einer Doppel-Spitze. Die 5 bildeten eine feste Ordnung, das Schalke Pentagon. Diese Staffelung sorgte für gute Raumaufteilung und ermöglichte Kombinationen mit den Flügelspielern.

Besonders Max Meyer stach jetzt hervor. Der Spielmacher tat eben jenes und bestellte das Feld von etwas weiter hinten als gewohnt, aber ebenso kreativ und ballsicher (90% Passerfolg, Top 5 der Liga). Dabei machte er auch defensiv einen guten Job. Auch wenn seine Zweikampfquote mit 50% sicher kein Fabelwert für den letzten Mann vor der Abwehr darstellt, so fällt auf, dass er oft gar nicht in Zweikämpfe geht. Besser: Gehen muss. Er positioniert sich stark und hält so die Räume dicht. Mit 2,7 abgefangenen Bällen pro Spiel ist das Platz 12 in der Liga. Stambouli übrigens auf 14.

Defensiv hielt diese Anordnung bestand. Allerdings wurde jetzt deutlich höher gepresst. Oft wurde schon der erste Verteidiger angelaufen. An der Intensität hat sich dabei nichts geändert. Immer noch wurde aggressiv attackiert. Und auch bei Ballgewinn wurde zunächst auf die Vertikalität gesetzt. Allerdings, und das war jetzt neu, nicht mehr auf hängen und würgen. Schalke spielte intelligenter und nutzte den Ballbesitz um das steile Spiel nach vorn gezielter einzusetzen. Im Vergleich zu anderen Ballbesitzmannschaften fällt also auf, dass der reine Ballbesitz kein reiner Selbstzweck ist, sondern ein Mittel um die Vertikalität einzusetzen.

Phase 3: Fluidität

Insgesamt verhielt sich das 5-Eck recht starr zueinander. Erst nach und nach weichte sich das auf. Das Pentagon ist zwar immer noch deutlich sichtbar, jedoch in nur in der Grundordnung . Schalke gewann mit jedem Spiel an Flexibilität hinzu. Erst begannen einzelne Spieler mit Gegenläufigen Bewegungen, dann tauschten sie Positionen und zuletzt begannen sie ihre Positionen mehr und mehr lose zu interpretieren.

Diese Entwicklung fand großteilig im Dezember statt. Tatsächlich hat diese Phase erst angefangen und wird uns in den kommenden Monaten noch weiter begleiten. Interessant hierbei ist allerdings das diese verbesserte Flexibilität dabei hilft sich besser auf Gegner einzustellen. Eine Zeitlang wechselte Tedesco zwischen reinem Konterspiel und Ballbesitz. Inzwischen geht das eher fließend. Ballbesitz mit Doppel-6 und situativer Fokus auf Konter. Die Gegner spielen eine große Rolle in Tedescos Überlegungen. Dabei haben diese sich ein Format ausgedacht und das gegen Schalke immer weiter angepasst.

Die Gegner so…

Wir schreiben den 2. Spieltag der Bundesliga. Nach dem fulminanten Sieg gegen Leipzig, will Schalke nach Hannover reisen und die nächsten Punkte einholen. Ex-Coach Breitenreiter jedoch zeigte, dass seine große Stärke die Gegneranalyse ist und seine Mannschaft entsprechend einzustellen. 96 verteidigte hart Mannorientiert und spiegelte die Formation Schalkes sogar (zur Analyse).

Das griffen viele andere Mannschaften auf. Schalke sah sich plötzlich immer wieder in Situationen wieder, in denen Manndeckungen entkommen werden musste. Da half die Fluidität zum Ende der Hinrunde, aber eben auch, dass das Spiel sich stetig entwickelte und die Gegner Mühe hatten sich entsprechend einzustellen.

Das Resultat daraus waren viele knappe Spiele. Nur ein Spiel wurde wirklich beherrscht, die 2:0 Niederlage in Hoffenheim. Ansonsten war es viel auf Augenhöhe. Dabei hatte Schalke oft noch einen Ass im Ärmel und drehte ein paar Spiele erst spät zu eigenen Gunsten.

Torflaute

Das größte Problem ist es, das Tor zu treffen. Zwar kommt Schalke recht häufig in den gegnerischen Strafraum, doch kann viele solcher Gelegenheiten nicht in Torerfolg ummünzen. Dabei steht die Chancenverwertung eigentlich recht gut, 7,7 Schüsse braucht Schalke für ein Tor, nur drei Teams in der Liga brauchen weniger (Hertha 6,0; Dortmund 6,8; Leverkusen 7,7; Bayern mit 9 übrigens auf Platz 9 im Ligavergleich). Das Problem ist die Anzahl an Schüssen.

Mit einem TSR von 55% ist Schalke zwar Top 5, aber gut ist das blanke Ergebnis nicht. Dabei ist die Defensive der drittstärkste Wert der Liga, meint, dass es nur zwei Teams gibt, auf deren Tor seltener geschossen wird (Bayern 8,8 Torschüsse kassiert; Dortmund 9,7; Schalke 10,2). Die Anzahl der abgegebenen Schüsse ist aber nur Mittelfeld der Liga (18. Platz Hertha mit 9,2 abgegebenen Schüssen; 9. Schalke 12,7; 1. Bayern 19,5). Die Defensive steht also, die offensive muss mehr Chancen herausarbeiten.

Fouls

Beim wälzen einiger Statistiken für diesen Text bin ich über die Fouls gestolpert. Mir war das offen gestanden nicht aufgefallen, aber das intensive Spiel von Schalke schlägt sich hier nieder. Nur Frankfurt hat mehr Fouls begannen (Eintracht 16,82 Fouls pro Spiel; Schalke 15,82; Bayern mit 10,18 die wenigsten Fouls) und niemand in der Liga wurde häufiger gefoult als Schalke (15,82; Gladbach mit 11 die wenigsten Fouls). Plump gesagt: Weniger Fouls bedeuten mehr Fußball.

Die vielen Fouls sind ein Zeichen dafür, dass Schalke noch an sich arbeiten muss. Das Pressing ist zum Teil zu ungestüm und endet zu häufig in einem Foul. Der Ballbesitz ist dabei auch noch nicht so souverän, wie er vielleicht sein könnte oder sollte. Die Gegner kommen zu nahe an den Ball, Schalke schafft in letzter Sekunde den Körper dazwischen zu stellen oder den Ball weiter zu spielen und wird so gefoult. Klar kommt es so zu Freistößen, aber gleichzeitig wird Schalke auch stark bedrängt und das Ballbesitzspiel ist stärker getrieben als es sein könnte.

Und jetzt?

Schalke muss weiter an der Fluidität arbeiten. Die Räume müssen klar besetzt sein, so dass der Ball laufen kann. Egal wer jetzt gerade da steht, Hauptsache es steht jemand da. Dafür muss es mehr Bewegung geben und die Räume adaptiver gestaltet werden. Das ganze Konstrukt muss sich weiter flexibilisieren, damit es sowohl von Mannorientierung aber eben auch von Raumorientierung im Pressing schwer ausrechenbar ist.

Dabei bleibt der Ballbesitz vermutlich Mittel zum Zweck. Schalkes Grundstrategie bleibt „Hart und Steil“, wie spätestens mit Heidel eingeführt. Die Arena möchte intensiven Fußball erleben und entsprechend kann ich mir nicht vorstellen, dass Schalke perspektivisch mauert oder den Ball nur noch quer legt.

Tedesco (hier übrigens zum großen Halbfeldflanke Tedesco Interview) fing mit einem sehr einfachen Fußball an und gibt Stück für Stück neue Facetten hinzu. So kann es weiter gehen. Interessant wird, welche Verstärkungen es gibt. Ich persönlich finde, dass die Flügel und die Spitzen etwas Unterstützung brauchen könnten.

4 Replies to “Die erste Halbserie unter Domenico Tedesco – Das Hinrunden-Fazit

  1. Die fehlende offensive Durchschlagskraft ist allerdings nicht soo verwunderlich, wenn man bedenkt, dass wir meist mit der Doppelspitze Burgstaller/Di Santo aufgelaufen sind (die bei allem Respekt eigentlich nicht das Sturmduo sind, mit dem man zwingend um die CL mitspielen müsste) und die meisten anderen torgefährlichen Spieler (Embolo/Schöpf/Goretzka) oft nicht fit waren. Ansonsten gibt es da nur noch Konoplyanka, und den kann man fast nur für Kontertaktiken einbauen. Außerdem fehlt mMn ein Spieler, der konstant den letzten Pass spielen kann. Harit fehlt die Übersicht, sobald es Richtung Strafraum geht, was auch der Grund sein dürfte, warum Tedesco ihn wahlweise als Achter oder als den tieferen Außenstürmer bringt. Deshalb ergab es aus meiner Sicht Sinn, dass Tedesco zuerst auf stabiles Defensiv- und dann Ballbesitzspiel gesetzt hat und bei Toren vor allem auf Standards gesetzt hat und Harits Fähigkeit, sich im Strafraum foulen zu lassen.
    Insofern dürfte gerade Pjaca interessant sein, der von spielverlagerung.de in einer Vorschau zur EM 16 vom Profil her als Kreuzung zwischen Ribery und Benzema beschrieben wurde. Klingt eigentlich genau nach dem Spielertypen, der Schalke im Moment vorne fehlt.
    Außerdem meinte Tedesco zu Beginn des Trainingslagers, dass er vor allem am Offensivspiel arbeiten will. Man darf wohl ganz guter Dinge sein, dass der Schalker Fußball in der Rückrunde nicht nur taktisch anspruchsvoll, sondern auch schöner anzusehen sein wird.

    1. Deine tollkühne Einschätzung, dass unser vorderstes Sturmduo nicht ganz CL-tauglich ist, ist durchaus teilbar. Di Santo wurde ja bereits in einem eigenen Beitrag gewürdigt, daher zu Burgstaller: Er bringt Vieles mit, was einen guten Mittelstürmer ausmacht: Zug zum Tor, guter Abschluss, richtige Positionierung, gute Laufwege, durchaus technische Fähigkeiten, er kann im Prinzip dribbeln und hat ein paar Körperfinten drauf, kombinative Grundanlagen gehen ihm auch nicht ab. Was ihm fehlt, ist meiner Ansicht nach die Schnelligkeit und Spritzigkeit auf den (entscheidenden) ersten Metern (wir reden im Strafraum ja von sehr kurzen Distanzen). Oft legt er den Ball geschickt am Gegner vorbei, und dann verliert er das Laufduell auf 3-5 Meter gegen den Verteidiger. Schade. Könnte man das noch ändern, wäre er, sagen wir mal, internationale Klasse. Aber insgesamt ist er gar nicht verkehrt.

      Zu Kono: Mich würde mal so gerne interessieren, was seine Torerfolgsquote im Training bei seinem Signature-Move ist (von links nach innen ziehen, mit rechts von der Strafraumkante aufs Tor schießen, ein bisschen Robben von links für Arme)? Wenn die ähnlich ist wie im Spiel, müsste ihn der Trainer doch mal zur Seite nehmen und sagen: Bist ja ein toller Spieler, aber das mit dem Robben-Move, das lass doch mal einfach weg.

      Was ist mit Teuchert? ist schnell, kann Fußball spielen und hat eine gewisse Torgefahr. Wenn der so gut und aufopferungsvoll pressen kann wie di Santo, kann der schon mal mehr als der Argentinier.

      Bin mal auf die anderen beiden „Neuen“ gespannt, Goretzka und Bentaleb. Wenn der gesetzte 6er Meyer ist, dann würde Bentaleb in jedem Fall weiter vorne spielen, vielleicht in einer Position wie am Anfang der Weinzierl-Saison mit viel Torgefahr durch Nachrücken.

      1. Ich mag Burgstaller ja auch gerne, weil er ein ungeheuer großes Arbeitspensum mit einer guten Portion Gedankenschnelligkeit und Schlitzohrigkeit verbindet und somit seine ansonsten eher mäßigen technischen und spielerischen Anlagen mehr als kompensieren kann. Er ist halt sehr gut darin, einzuschätzen was er kann und vor allem was nicht und eine (häufig auch unorthodoxe) Lösung zu finden, die er auch mit seinen Fähigkeiten umsetzen kann. Er ist ein bisschen ein physisch robusterer Thomas Müller in nicht Weltklasse.
        Trotzdem würde ich ihm in der Mittelstürmerposition z.B. einen Finbogasson oder Uth oder auch einen Embolo in guter Form vorziehen.

        Zu Kono: Dem fehlt mMn schlicht die Spielintelligenz und Übersicht, das abzustellen. Sobald der am Ball ist, schaut er nur noch auf den Ball und die Füße seines Gegenspielers. Sobald er den Kopf hochnimmt, hat er schon nicht mehr die Zeit, sich noch einen guten Pass auszusuchen, sondern nur noch, zu schauen wo der Torwart steht. Ich fand es in der Hinrunde zum Teil fast ein bisschen überraschend, wie gut er teilweise doch mit Oczipka harmoniert hat, aber viel mehr wird da von ihm wohl nicht mehr kommen. Für eine reine Kontertaktik ist er optimal, weil er sehr gut darin ist, bei einer nicht tief stehenden Abwehr schnell nach vorne zu rennen, noch ein oder zwei Gegenspieler aussteigen zu lassen, und dann abzuschließen, aber für mich wäre er angesichts der aktuellen Entwicklung der Mannschaft einer der ersten Kandidaten für einen Verkauf, sobald ein ordentliches Angebot kommt, weil er eben ein reiner Roleplayer ist, den man fast nur gegen unkompakte Gegner und nach Führung bringen kann, ohne die Spielanlage zu torpedieren.
        Zu Teuchert kann ich nichts sagen. Bei mir unbekannten Schalker Neuzugängen werfe ich meistens die Suchfunktion auf spielverlagerung.de an, weil die meistens sehr gute Beschreibungen aller möglichen Spieler haben, aber zu Teuchert kam nur „moderner Bewegungsstürmer“ heraus, was auch immer das heißen soll. Tedesco hat auch schon was in die Richtung „der braucht noch Zeit für seine Entwicklung, aber davon haben wir auch ziemlich viel“ über ihn gesagt, also würde ich mal tippen, dass wir ihn wahrscheinlich erst so in einem halben bis ganzen Jahr häufiger mal in der Startelf sehen werden.

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